Die Alpenüberquerung

Oft wird die Alpenüberquerung als Königsdisziplin für den leidenschaftlichen Mountainbiker bezeichnet. Doch wie geht man eine solche Sache an? Was erwartet einen tatsächlich? Und wie bereitet man sich vernünftig vor?

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Grundregeln

Damit das Mountainbiken auch weiterhin ein akzeptierter Bergsport bleibt, sollte man grundsätzlich Rücksicht auf die Natur, die Bewohner der Alpenregion, andere Bergsportler und die eigene Gesundheit nehmen:

  • Absolute Rücksichtnahme auf Wanderer!
  • Keinen Müll und sonstige Spuren hinterlassen!
  • Die Natur schonen und keinen Lärm verursachen!
  • Kein Alkohol!
  • Kein Fahren gefährlicher Strecken bei Erschöpfung!
  • Lieber absteigen als ein zu großes Risiko eingehen!
  • Entwicklung des Wetters beachten!

Das Ziel

Bevor man an die konkrete Planung geht, sollte man sich ein realistisches und erreichbares Ziel setzen. Dies ist besonders wichtig, denn viele Sportler neigen dazu, die Alpen als Sportregion und die täglichen Anstrengungen einer Transalp zu unterschätzen. Entsprechend viele Alpenüberquerungen werden abgebrochen. Die Ursachen sind meistens schlechte Vorbereitung, schlechtes Wetter, zu wenig alpine Erfahrung, ungeeignete Routen, Verletzungen, Überanstrengung, irreparable Defekte an der Ausrüstung.

Damit die Transalp keine gefährliche und frustrierende Tortur wird, sollte man sich rechtzeitig mit dem Thema beschäftigen. Dazu gehört natürlich die körperliche Vorbereitung, aber auch die Anschaffung einer geeigneten Ausrüstung. Außerdem sollte man ein passendes zuverlässiges Fahrrad haben und sich mit der Technik auseinandersetzen. Zu guter Letzt steht die Planung einer Route an.

Für das Gelingen ist außerdem ausschlaggebend, dass man den Alpencross als Sport-Urlaub betrachtet, und nicht als Wettbewerb bei dem man Rekorde brechen muss. Unnötiger Ehrgeiz führt oft zur Überlastung an den ersten Tagen, zu Verletzungen und zur Gefährdung des gesamten Unternehmens. Es geht nicht darum sich zu beweisen, dass man einen besonders steilen Berg hoch-, oder einen besonders schwierigen Trail hinunterfahren kann, sondern es geht darum, Spaß zu haben ohne sich oder andere in Gefahr zu bringen. Ein eingespieltes, zuverlässiges Team ist deshalb besonders wichtig. Dazu gehört eine gemeinsame Vorbereitung sowie gegenseitige Unterstützung und Rücksichtnahme.

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Das Ziel sind unvergessliche Erlebnisse in der Natur

Wie überquere ich die Alpen?

Mit dem Mountainbike, Trekkingrad oder Einkaufsrad? Auf Straßen, Forstwegen oder schwierigen Trails? In einer Gruppe oder alleine? Übernachtungen in Hütten oder Hotels? Gepäck auf dem Rücken oder im Begleitfahrzeug? All diese Fragen sollten beantwortet werden um eine Transalp richtig vorzubereiten. Auf diese Bedürfnisse wird die Route zugeschnitten. Übernachtungen müssen eventuell rechtzeitig organisiert und reserviert werden. Das Gepäck muss gut geplant und vorbereitet werden. Auch die Verpflegung unterwegs spielt eine wichtige Rolle.

Einen Alpencross alleine anzugehen ist nicht jedermanns Sache. Generell würde ich davon abraten. Wenn man so etwas alleine versucht, muss man schon viel Erfahrung haben und genau wissen was man tut. Alleine zu fahren kann eine Reihe von Probleme aufwerfen: Niemand kann direkt helfen, wenn ein Unfall passiert. Es fehlt die Ansprache und der Spaß einer guten Gruppe. Sieben Tage Einsamkeit sind nicht immer leicht zu ertragen. Niemand motiviert dich, weiter zu fahren, wenn du am Ende bist. Dies wird oft am meisten unterschätzt. Die Motivation muss ganz aus dir selbst heraus kommen, was zeitweise sehr hart sein kann. Es hat also viele Vorteile mit einem eingespielten Team zu fahren.

Ein wichtiger Punkt ist auch die Frage nach An- und Rückreise. Welche Verkehrsmittel sollen genutzt werden? Man kann umweltfreundlich mit der Bahn fahren, doch besonders über die Rückreise vom Gardasee muss man sich einige Gedanken machen. Die Deutsche Bahn ändert nämlich hin und wieder die Fahrradmitnahmemöglichkeiten und die italienische Bahn ist nicht immer zuverlässig. Man kann auch mit dem Privat-PKW fahren, muss dann aber dafür sorgen, dass der PKW irgendwie an den Zielort gelangt, etwa indem man die Überführung privat organisiert oder bucht. Dann gibt es noch den Shuttle-Service, den man für die Rückreise von verschiedenen Anbietern buchen kann. Für welche Lösung man sich entscheidet hängt davon ab, wieviel Geld man ausgeben will, wieviel Flexibilität man wünscht und wieviel Zeit man hat.

Die meisten dieser Fragen erledigen sich, wenn man eine geführte Alpencross-Tour mit Begleitfahrzeug bucht.

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Eine gute Planung ist Voraussetzung

Wild Campen

Ein paar Worte über das wilde Campen und Biwakieren in den Alpen. Offiziell ist das wilde Campen in den meisten Ländern Europas nicht erlaubt. Die Gesetze unterscheiden sich ein wenig in den unterschiedlichen Ländern, aber allgemein gilt immer folgendes: Campieren auf Privatgrund gilt überall als Hausfriedensbruch und wird entsprechend bestraft. In einigen deutschen Bundesländern ist das wilde Campen außerhalb von Naturschutzgebieten erlaubt, wenn man nicht motorisiert ist, nur eine Nacht bleibt und keinen Müll hinterlässt. In Österreich ist das wilde Campieren generell verboten. Wenn man erwischt wird, zahlt man eine hohe Strafe (bis zu 500 EUR). Wenn man in Naturschutzgebieten in Österreich beim Campieren erwischt wird, ist die Strafe besonders hoch. Biwakieren oberhalb der Baumgrenze wird in Notfällen geduldet. In der Schweiz darf man grundsätzlich im Freien übernachten, wenn dadurch keine Schäden oder Verschmutzungen entstehen, und wenn es nicht explizit verboten ist. In den Jagdbanngebieten und Naturschutzgebieten ist es z.B. verboten, und hier kann es schon mal vorkommen, dass die Gegend mit Ferngläsern nach Campern abgesucht wird. Wird man erwischt, muss man mit einer Strafe von mindestens 500 EUR rechnen. In Italien ist das wilde Campen grundsätzlich unter Strafe verboten. (Anmerkung: Diese Angaben sind nicht exakt. Man sollte sich über die aktuelle Gesetzeslage im jeweiligen Land informieren!)

Die strengen Gesetze waren leider notwendig, weil sich in der Vergangenheit wilde Camper oft sehr undiszipliniert verhalten haben, die Natur geschädigt und ihren Müll zurückgelassen haben. Offiziell kann ich nicht empfehlen, in den Alpen wild zu campen. Wenn man alleine unterwegs ist und sich ordentlich und unauffällig verhält, würde man deine Anwesenheit vermutlich gar nicht erst bemerken. Dennoch ist zu bedenken, dass man doch deutlich mehr Gepäck mitnehmen müsste und die Wetterumschwünge plötzlich und heftig sein können.

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Notbiwak

Die Route

Man kann die Alpen auf der Via Claudia Augusta überqueren, mit dem Fernpass und dem Reschenpass als einzige Übergänge, die beide mit dem Tourenrad gefahren werden können. Man kann eine Mountainbike-Route mit nur einem schwierigen Pass mit Schiebestrecke (z.B. Timmelsjoch oder Pfitscher Joch) wählen. Man kann mit dem Straßenrad über den Brenner fahren. Oder sich per Seilbahn auf etliche Berge transportieren lassen. Es gibt Mountainbike-Routen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden, Höhenmetern und Pässen. Die Möglichkeiten sind sehr vielfältig.

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Die Routenwahl ist entscheidend!

Wer sich die komplette Ausarbeitung einer solchen Route mangels Ortskenntnis und alpiner Erfahrung nicht zutraut, kann zum Beispiel auf eines der vielen guten Alpencross-Bücher zurückgreifen, welche die vielfältigen Routen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden beschreiben, oft inklusive Roadbook und GPS-Track. Die bequemste Variante ist sicherlich eine geführte Alpencross-Tour, bei der man sich um gar nichts kümmern muss, nicht einmal um Übernachtungen. Man kann solche Touren bei diversen Anbietern buchen, die im Internet zu finden sind.

Wer die Route selbst plant, ist auf gutes Kartenmaterial und umfangreiche alpine Erfahrung (z.B. als Bergwanderer oder Mountainbiker) angewiesen. Die eigene Planung kostet viel Zeit und erfordert eine Menge Recherchen und Erfahrung. Man muss in der Lage sein, grob einzuschätzen wie schwierig die gewählte Route ist, welche Strecken gefahren werden können und welche nicht. Außerdem muss man unter Berücksichtigung des Geländes beurteilen können, welche Distanzen und Höhendifferenzen man pro Etappe schaffen kann.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es bei ausgefallenen Strecken oder extremen Passüberquerungen sehr schwierig ist einzuschätzen, wie viel Zeit man dafür benötigt. Anhand der Karte allein kann man nicht vorhersagen, ob der Weg aufwärts geschoben oder getragen werden muss. 1000 Hm zu überwinden kann, je nach Beschaffenheit des Weges, zwei bis acht Stunden dauern. Man sollte also den Zeitbedarf großzügig schätzen.

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Gebirgsgruppen der Alpen

Zeitpunkt und Wetter

Als Zeitraum für Alpenüberquerungen eignet sich theoretisch Mai bis Oktober. Pässe über 2500 m sind aber meistens erst ab Juli schneefrei. Ab Oktober wird das Wetter zunehmend instabil und kühler. Da das Wetter in den Alpen jedoch auch im Sommer nie beständig ist (es kann auch im Juli mal schneien), ist es empfehlenswert, sich vorab über die Wetter- und Schneeverhältnisse insbesondere am Alpenhauptkamm zu informieren und gegebenenfalls alternative Routen in Petto zu haben. Man kann natürlich auch bei schlechtem Wetter eine Transalp fahren, jedoch sind steile, steinige und verwurzelte Trails bei Nässe sehr rutschig und gefährlich. Wenn das Wetter regnerisch ist, sollte man auf Routen ausweichen, die bei Nässe noch fahrbar sind, wie z.B. Schotterwege, Radwege oder Straßen. Generell sollte man das Bergwetter im Auge behalten, bevor man sich auf die Reise begibt.

Nützliche Wetterdienste:

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Schneefelder sind keine Seltenheit

Persönliche Vorbereitung

Ein Alpencross mit dem Mountainbike ist keine Sache, die man mal eben spontan macht. Wer die Anstrengungen eines solches Vorhabens unterschätzt oder eine Route wählt, die ihn überfordert, wird bei der Alpenüberquerung wenig Spaß haben oder gar nicht am Ziel ankommen. Denn nicht nur die Ausrüstung und Planung ist wichtig, sondern vor allem auch die körperliche und mentale Fitness. Man muss die eigene Leistungsfähigkeit richtig einschätzen können, bevor man auf die Reise geht. Wer damit Schwierigkeiten hat, sollte vorher unbedingt ein paar Probetouren in den Bergen fahren.

Oft wird die mentale Belastung bei einer mehrtägigen Tour unterschätzt. Es ist eine Sache, sich auf einer Tagestour schinden zu können und an seine Grenzen zu gehen. Es ist eine ganz andere Sache, am nächsten Tag wieder in den Sattel zu steigen und sich die Berge hinaufzuquälen, und dies sieben Tage lang in Folge zu tun. Prinzipiell gilt: Man braucht einen eisernen Willen, besonders dann, wenn man eine anspruchsvolle Route gewählt hat.

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Ein Alpencross ist anstrengend. Immer.