Alpencross 2011 Tag 6

Etappe 6: Lago di Tovel – Passo Gaiarda – Andalo – Molveno
Länge: 35 km
Steigung: 1500 Hm


Die Nacht verbrachte ich diesmal wieder im Schlafsack, und zwar in einer verlassenen halb verfallenen Berghütte, deren Tür unverschlossen war. In der Heimat der Braunbären wollte ich nicht unbedingt im Freien schlafen, und so war mir diese Entdeckung sehr willkommen. Die Sache war ein wenig gruselig, irgendwo tropfte Wasser von der Decke und das Gebälk gab immer wieder ein gespenstisches Ächzen und Knarren von sich. Mitten in der Nacht weckten mich raschelnde und schabende Geräusche. Waren es Ratten, die durch die Hütte huschten? Irgendwie schaffte ich es, die Gruselgedanken auszublenden und Schlaf zu finden.

Es ist wichtig zu wissen, dass im Nationalparkgebiet das Mountainbiken nur auf offiziellen Routen erlaubt ist. Da man aber sowieso größtenteils schiebt oder trägt, dürfte dies kein großes Problem sein. Wie großzügig die 12 aktiven Parkranger im Adamello-Brenta-Gebiet die Sache beurteilen würden, kann ich jedoch nicht sagen. Ein einzelner Bikebergsteiger wird hier wohl kaum auffallen, aber mit einer Gruppe hier durchzuziehen ist sicher nicht ratsam.

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Am nächsten Morgen in aller Frühe war ich schon wieder auf dem Trail in Richtung Campo Flavona. Während der Weg noch im Dunkeln lag, leuchteten schon die Gipfel der Brenta rechts neben mir in hellen Orange. Nach und nach wurde es wärmer. Als ich die Malga Pozzol erreichte wurde der Weg steil und ich musste das Bike ein ganzes Stück bergauf tragen. Dabei entdeckte ich am Wegesrand eine Spur, die meine Aufmerksamkeit erregte. Ich hatte schon die ganze Zeit über nach Spuren Ausschau gehalten, und nun sah ich einen Abdruck der mich ganz stark an einen Bären erinnerte. Er war zwar verhältnismaßig klein, nur etwas größer als eine Männerhand, aber vielleicht war es ein junger Bär? Ich beschloss von jetzt an geräuschvoll zu wandern.

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Bald später erreichte ich von Bären unbehelligt ein Hochtal und erblickte die Malga Flavona. Der Bauer war schon auf, aber sonst war keine Menschenseele zu sehen. Der Bewohner dieser Hütte betrachtete mich etwas überrascht, wünschte mir aber weiterhin eine gute Reise.

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Nach der Malga Flavona folgt ein weiteres steiles Tragestück, bevor man endlich die Hochebene Campo di Flavona erreicht. Ich will gleich vorwegnehmen, dass man bis zum Passo della Gaiarda wegen der extremen Bodenunebenheiten nicht fahren kann, sondern schieben muss. Die Campo di Flavona ist ein beeindruckendes Stück Natur. Felsformationen wie der Monte Turrion Basso erinnerten mich stark an die USA, nur kleiner.

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Auf dem Campo di Flavona sind noch eine Menge Fotos entstanden. Nach langer Schieberei erreichte ich die Wegegabelung, wo der Weg 301 vom Passo del Groste herunter auf meinen Weg 371 traf. Von hier aus war es nur noch ein kurzes Stück bis zum Passo Gaiarda. Wanderer oder gar andere Biker sind mir auf der ganzen Strecke überhaupt nicht begegnet. Dafür umso mehr Kuhfladen.

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Vom Passo Gaiarda aus ging es dann weiter auf dem 301 bis zur Malga Spora. Der offizielle Weg führt links am Berghang entlang über riesige Geröllfelder und kann überhaupt nicht gefahren werden. Später ist mir aufgefallen, dass weiter unten parallel ein Weg verläuft, der deutlich besser geeignet zu sein scheint. Verlässt man die Geröllfelder, kann man ein kurzes Stück in den Sattel steigen, bevor man den völlig ausgewaschenen Weg erreicht, der über Felsen, Geröll und steile enge Kehren bis hinunter zur Malga Spora führt. Hier ist selbst Schieben schwierig. Der ganze Trail hinunter war jedenfalls zum Mountainbiken völlig unbrauchbar.

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Während ich mir an der Malga Spora ein Erfrischungsgetränk genehmigte, zog ich die Brenta-Bilanz. Gelegenheit zum Mountainbiken hat es hier bislang praktisch keine gegeben. Ich hatte meistens geschoben oder getragen, auch bergab. Dann nahm ich den nächsten geplanten Pass, den Passo del Clamer, in Augenschein, der direkt von der Malga Spora aus zu sehen ist. Etwa 10 Sekunden später stand fest, dass ich mir diesen Pass heute nicht mehr antun würde. Ich hielt es aufgrund meiner bisherigen Brenta-Erfahrungen für sehr wahrscheinlich, dass hier steil hinaufgetragen und auf dem Weg 344 wieder hinuntergeschoben werden musste. Die Lust auf solch eine Aktion war mir vorerst vergangen. Also würde ich – wieder einmal – meinen Plan ändern und direkt nach Andalo abfahren, um Molveno dann über die Straße zu erreichen.

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Von der Malga Spora folgt man den Schildern auf dem Weg 301 abwärts in Richtung Andalo. Irgendwann gabelt sich der Weg. Rechts geht es auf dem 301 weiter, links auf dem 302. Schlauerweise hielt ich mich an meine Planung und folgte dem GPS-Track auf dem Weg 301. Bis zur Fontana Fredda lief alles sehr gut, der Weg war anspruchsvoll und bietet eine Menge S3-Fahrspaß. Bei dem Brunnen habe ich erst einmal mein Fahrrad gründlich gereinigt, das überall mit klebrigen stinkenden Kuhfladensprizern versaut war. Schon oben auf dem Campo di Flavona, aber besonders unterhalb der Malga Spora bin ich nämlich zwangsläufig ständig durch diesen allgegenwärtigen Brei gefahren, der sich hartnäckig am Sattelrohr, dem vorderen Schaltwerk, am Unterrohr und überall am Hinterbau festgesetzt hatte. Als die Drecksarbeit (im wahrsten Sinne des Wortes) erledigt war, stieg ich wieder auf. Kurz nach der Fontana Fredda war es jedoch vorbei mit dem Fahren. Der Weg wurde schmaler und zunehmend ausgesetzt. Auch musste das Rad immer wieder ein Stück bergauf geschoben oder getragen werden. Teilweise war der Pfad sogar mit einem Seil gesichert. Es wurde schnell klar, dass der Weg 302 die bessere Wahl gewesen wäre.

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Nach einiger Zeit mündet der ausgesetzte Pfad direkt auf eine breite Forststraße, die bis zum offiziellen Brenta Bike Trail hinunterführt. Bei der Abfahrt habe ich einige Pausen einlegen müssen, um die Bremsanlage nicht zu überhitzen. Unten angekommen, hatte ich den Brenta Nationalpark endgültig verlassen. Bis Andalo radelte ich bequem auf dem Brenta Bike Trail, dann ging es auf der Landstraße im fließenden Verkehr stetig bergab bis Molveno.

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Molveno scheint ein beliebter italienischer Ferienort zu sein. Jetzt, in der Woche des Ferragosto, war Molveno vollgestopft mit Autos, Bussen, Motorrädern und vorwiegend italienischen Touristen. Auf den ersten Blick war mir klar, dass eine Zimmersuche hier sinnlos sein würde, aber das störte mich wenig, weil nach Überquerung der Brenta die Lufttemperaturen endlich einem August angemessen waren. Da es erst 14:00 Uhr war, blieb genug Zeit für ein gemütliches Mittagessen und einen entspannten Strandaufenthalt am Lago. Nach Überwindung des letzten großen Passes spürte ich jetzt, wie sich die unendliche Gelassenheit in mir ausbreitete. Entsprechend genussvoll verliefen die Mahlzeit und die 2 Stunden am Strand.

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