Alpencross 2011 Tag 7

Etappe 7: Molveno – Dasindo – Val Lomasona – Croce di Bondiga – Riva
Länge: 41 km
Steigung: 810 Hm


Am südlichen Ende vom Lago di Molveno hatte ich es mir gestern nach Sonnenuntergang auf einer kleinen Lichtung in einem dichten Wäldchen im Schlafsack gemütlich gemacht. In der Nacht wurde ich öfter vom Quieken herumsträunender Wildschweine geweckt, habe aber ansonsten ruhig und ungestört geschlafen. Die letzte Etappe stand heute auf dem Programm. Wegen meiner vielen Planänderungen würde ich nun einen Tag früher am Gardasee ankommen, was ich akzeptabel fand. Das bedeutete nämlich, dass ich einen Tag länger am Gardasee abhängen konnte.

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Über die Strecke von Molveno bis Dasindo gibt es nichts spannendes zu berichten. Ich bin weiter dem offiziellen Bike Trail gefolgt, der teils asphaltiert, teils auf Schotterwegen, teils auf mit Rundsteinen gepflasterten Straßen vorbei an alten Dörfern wie Moline führt. Die Route ist, wenn auch fahrtechnisch völlig anspruchslos, doch recht schön, und während man durch die netten Dörfer wie Villa Banale, Lomaso oder Dasindo radelt, hat man immer wieder einen schönen Blick auf den Monte Misone und den Monte Brento und das zwischen ihnen liegende Tal Val Lomasona.

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Das einzige unangenehme Stück ist die glücklicherweise kurze Straßenstrecke von Ponte Arche bis Lomaso. Danach kann man sich endlich vom Verkehr verabschieden. Zwischen Maisfeldern geht es dahin bis Dasindo, wo der Track in das Val Lomasona mündet, durch das man gemütlich vorbei an der Malga Lomasona bis zu einem Klettergarten radeln kann. Danach wird der Weg zunehmend steiler. Schon bald muss das Bike auf einem steilen geröllhaltigen Pfad durch den Wald geschoben werden, wo ich (zum ersten Mal auf dieser Tour) permanent von lästigen Moskitos und Bremsen belästigt wurde.

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So geht es weiter bergauf mit nur wenigen fahrbaren Abschnitten. Ab dem Sella di Calino ist der Weg zwar sehr steil, kann aber durchaus teilweise gefahren werden. Bei Treni geht es noch ein kurzes Stück eine steile Betonstraße hoch, und nach kurzer Zeit sieht man das Croce di Bondiga vor sich. Als ich das große Holzkreuz erblickte, wusste ich: Es war geschafft! Vor mir eröffnete sich ein Blick auf den wie meistens im Dunst liegenden Gardasee und den Ort Riva del Garda.
Nun stand ich abermals vor der Wahl, welchen Weg ich nach unten nehmen sollte. Eigentlich war der Weg 409 direkt nach Arco im Navi gespeichert. Andererseits war ich nun ein gebranntes Kind und könnte auch den offiziellen Bike Trail nach Tenno wählen. Ein Mountainbiker, den ich oben am Croce di Bondiga traf, hatte den alten Moser Bike Guide dabei, und auf meine Bitte hin las er mir den Abschnitt vor. Über den 409er schrieb Moser in etwa: Felsig, steil, verblockt, mit Geröll durchsetzt, insgesamt nicht empfehlenswert.

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„Moser hatte damals kein Fully,“ sagte ich, ignorierte die Warnung, stellte den Sattel niedriger und bog auf den Weg 409 ein, der direkt neben dem Kreuz ins Tal führt. Der Weg war felsig, steil, verblockt und mit Geröll durchsetzt. Im Gegensatz zu Moser fand ich den Trail jedoch überaus empfehlenswert, wenn man ein geübter Freerider ist. Die Strecke ist allerdings das Gegenteil von „flowig“, selbst mit viel Federweg wird man enorm durchgeschüttelt. Fast den kompletten Weg hinunter kann man fahren, muss sich allerdings enorm konzentrieren. Der Felsuntergrund ist sehr uneben aber immerhin fest, doch immer wieder liegt lockeres Geröll darauf. Wenn man nicht aufpasst, kann leicht das Vorderrad wegspringen und den Fahrer aus der Spur werfen.
Auf halber Strecke fiel mir der immer lauter werdende Motorenlärm auf, und plötzlich wurde ich von einer Gruppe von Motocross-Fahrern überholt. Wie? Was? Motorräder? Bisher dachte ich immer, dass sogar das Mountainbiken auf solchen Wegen offiziell nicht erlaubt ist (und in einigen Fällen sogar geahndet wurde). Nun heizen die Leute mit Motocross-Bikes die Trails hinunter? Der Lärm der Motorräder hallte noch minutenlang durch das Tal, bis wieder Stille einkehrte.

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Nach einer berauschend anspruchsvollen Abfahrt erreichte ich Arco und quälte mich durch das hässliche Industriegebiet, bis ich auf den Radweg nach Riva stieß. Wenig später ließ ich mein Bike in den Kies des Gardasee-Strandes fallen, warf meinen Acht-Kilo-Rucksack ab, riss mir die Schuhe von den Füßen und sprang in die kühlen Wellen. Das kalte Wasser umspülte mich und wusch all den Frust über meine Fehlplanung zusammen mit der Schweiß- und Dreckkruste von mir ab.

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Allen Widrigkeiten zum Trotz hatte ich es wieder einmal geschafft! Die Enttäuschung darüber, viele der geplanten Pässe nicht erlebt haben zu können, wurde kontinuierlich abgemildert durch ein herrliches italienisches Abendessen im Schatten der Markisen eines Restaurants in irgendeiner Gasse, während ich die heiße Sommerluft von Torbole einatmete und der Südwind vom See heraufblies um mich fast so gut zu erfrischen wie das kühle Bier. Auch mein Zimmer war erstklassig, das Bett gemütlich und die Dusche heiß. Sogar mein Bike konnte sicher untergebracht werden.

Auch wenn auf dieser Transalp fast nichts nach Plan verlaufen ist und ich mehr als einmal ziemlich ratlos dastand, hat sich doch immer eine Lösung aufgetan. Ich war wieder einmal komplett pannen- und verletzungsfrei am Ziel angekommen und hatte tolle und verrückte Dinge erlebt. Die Alpencross-typischen zahlreichen Schrammen an den Waden, wo ich mir des Öfteren beim Schieben das Käfigpedal in das Bein gerammt hatte, verheilten recht gut. Es gab auch nur geringe Verluste zu vermelden, wie zum Beispiel meine Brotzeit am ersten Tag. Auch meine Fahrradhandschuhe habe ich irgendwo vor Überquerung des Madritschjoches verloren, was mich allerdings weniger geärgert hat wie das Abhandenkommen meines leckeren Ciabatta-Brotes.

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Nach zwei Tagen Baden, Sonnen, Relaxen und Genießen hieß es wieder einmal Abschied nehmen vom Gardasee. Dank des immer schlechter werdenden Service der Deutschen Bahn und des konstant schlechten Service der italienischen Bahn hatte ich mich dieses Jahr für die Buchung eines Bike Shuttle entschieden. Der Kleinbus holte mich direkt am Hotel ab und brachte mich zusammen mit ein paar anderen Alpencrossern unkompliziert über Innsbruck und Garmisch nach München. In München erwartete mich traumhaft heißes Sommerwetter, ein Grill und jede Menge Steaks und Bier.

Zu guter Letzt bleibt noch anzumerken, dass mein schönes Lappiere Zesty 514 tatsächlich einen Schaden zu vermelden hat, der jedoch meine Reise nicht beeinträchtigt hatte. Ein Rahmenbruch im Tretlagerbereich, erkennbar durch einen schmalen Riss auf der Seite der Kettenblätter, hat mir einen gehörigen Schrecken eingejagt. Ein großes Problem war dies nicht, denn es ist eindeutig ein Gewährleistungsfall. Eine kurze Recherche im Internet hat ergeben, dass andere Fahrer des 2009er-Modells vereinzelt das gleiche Problem hatten. Nach dem Alpencross habe ich das Zesty direkt zum Bikehänder gebracht, der das Teil eingeschickt hat. Bin schon gespannt, was ich zurückbekommen werde.

Eines steht jedenfalls fest: Bei der Planung des Alpencross 2012 wird den Zeitfaktor besser berücksichtigt!

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