Alpencross 2011 Tag 4

Etappe 4: Sulden – Madritschjoch – Martelltal – Latsch – Meran – Burgstall
Länge: 76 km
Steigung: 2400 Hm


Der vergangene Tag war in Bezug auf Mountainbike-Action eine volle Enttäuschung gewesen. Dies sollte heute wieder ausgeglichen werden. Die körperliche Belastung des gestrigen Tages war gering gewesen. Ich hatte gut geschlafen und war ausgeruht und bereit für die nächste Herausforderung: Auf dem Programm standen das Madritschjoch und das Sallentjoch. Doch wie so oft auf dieser Reise sollte wieder alles ganz anders kommen…

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Natürlich. Man hätte den Weg bis zur Schaubachhütte auch in 2-3 Stunden hochschieben können. Vielleicht sogar fahren, wenngleich das bei 20% Steigung eher unter die Kategorie fallen würde, sich etwas beweisen zu müssen. Aber bei den Aktionen, die heute noch auf meiner Liste standen, hielt ich es für sinnvoller die Seilbahn zu wählen. Damit wären 500 Höhenmeter ohne Kraftverlust überwunden. Von der Bergstation bei der Schaubachhütte geht es durch eine bizarre Hochgebirgslandschaft weiter bis zur Madritschhütte. Hier muss man mit wenigen Ausnahmen schieben.

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Ab der Madritschhütte ist Fahren definitiv nicht mehr möglich. Der Weg ist sehr steil und der Untergrund besteht aus lockerem Schutt. Die letzten 100 Meter habe ich das Bike sogar geschultert, weil es noch Schneefelder und einen verblockten steilen Pfad zu erklimmen galt. Auf rund 3150 Hm ist dann der höchste Gipfel meiner diesjährigen Alpentour erreicht – das Madritschjoch. Der Panoramablick auf die verschneiten Gipfel rings um mich war grandios! In dieser Höhe haben die Berge ihren ganz eigenen Charakter. Hier gibt es kaum Pflanzen oder Tiere, dafür verschiedene Arten von Gestein, Fels, Eis und Schnee. Hier möchte man einfach nur stehen bleiben, den Blick ringsum schweifen lassen und die kühle, klare Luft einatmen.

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Der Aufstieg von der Schaubachhütte war problemlos verlaufen und ich war noch voller Energie und Tatendrang. Nun stand die Belohnung meiner Mühen an: der Trail hinunter zur Zufallhütte, auf den ich mich schon so lange gefreut hatte. Die ersten paar Höhenmeter mussten leider geschoben werden, weil der Pfad sehr steil und in engen Serpentinen über sandigen Untergrund abwärts führt. Dann aber beginnt der Fahrspaß für den technisch versierten Biker! Das Madritschtal ist nicht nur landschaftlich wunderschön. Auch der Trail bis zur Zufallhütte ist fast komplett fahrbar, mit Ausnahme von zwei größeren Stufen, die geschoben werden müssen.

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Insgesamt bewegt sich das Niveau auf S1 bis S3. Der Pfad ist nämlich sehr vielseitig. Er windet sich in sehr wechselhaften Steigungen über Felsen, Schutt, Staub mal in engeren, mal in weiteren Kehren den Berg hinunter. Langsam kehrt auch die Vegetation zurück, und immer öfter lassen sich robuste Kiefergewächse, später saftige Wiesenabschnitte zwischen dem rauhen kargen Fels blicken. Das Naturerlebnis wird abgerundet durch den kristallklaren Madritschbach, der sich immer breiter werdend durch das Tal schlängelt. Kurz vor der Zufallhütte gibt es noch einmal einen sehr kurzen aber steilen Anstieg (ca. 40Hm), dann ist es geschafft.

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Gegen Mittag bin ich an der Zufallhütte angekommen. Vor mir lagen die Rotspitz und die Gramsenspitz, und direkt daneben der Passo di Saent, das Sallentjoch. Auf meine Frage hin meinte der Hüttenwirt, dass letztes Jahr mal eine Gruppe versucht hätte, mit dem Mountainbike das Sallentjoch zu queren. Sie hätten dann von unterwegs angerufen und mitgeteilt, dass die Aktion Wahnsinn sei. Nun, diese Information allein hätte mich wohl nicht davon abgehalten, das Sallentjoch zu besteigen. Die von Westen her aufziehende Gewitterfront allerdings brachte mich letztendlich doch dazu, meine Route abermals über den Haufen zu werfen. Das Gewitter würde mich höchstwahrscheinlich gerade beim Queren des Joches erwischen, und das könnte auf 3000 Metern Höhe und dem erwartungsgemäß schwierigen Weg leicht lebensgefährlich werden.
Mein Problem war nun, dass ich hierfür keine Alternativroute vorgesehen und auch kein Kartenmaterial vorbereitet hatte. Also beschloss ich kurzerhand, erst einmal durch das Martelltal abzufahren und dann wieder ein wenig der Via Claudia Augusta entlang der Etsch zu folgen.

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Von der Zufallhütte hinunter zum Zufrittsee habe ich den Marteller Talweg gewählt. Dabei handelt es sich um einen anspruchsvollen S3-Wanderweg, der noch einmal das Freerider-Herz höher schlagen lässt. Oberhalb des Stausees ist der Trail recht schwer zu fahren. Wer hier keine Freeride-Erfahrung mitbringt, sollte lieber den Weg über die Enzianhütte wählen, weil er sonst recht häufig schieben müsste.

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Ein Stück unterhalb vom Zufrittsee bin ich abermals auf den Marteller Talweg Nr. 36 eingebogen, der dann auf etwa 12 km Länge puren Fahrspaß bietet. Wer hier die Asphaltstraße abfährt, versäumt wirklich einen genialen Trail. Der Weg beginnt als 2-spuriger Karrenweg und geht irgendwann in einen Pfad über, der fast permanent auf abschüssigen flowigen Trails durch Wälder und Wiesen, entlang von Bächen und Bauernhöfen, über Stock, Stein und Brücken führt.

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Auf dem letzten Stück des Talweges bin ich entlang dem Rautwaal gefahren. Dabei führt der Weg weit oben am Hang entlang, und parallel dazu ein schmaler angelegter Bewässerungskanal. Dieser endet direkt oberhalb von Morter, und ich musste dann die paar Serpentinen bis zum Ort noch hinunterschieben. Ein interessantes Abenteuer! Von Morter aus bin ich über Latsch zur Etsch gefahren und habe mit den vorhandenen Mengen überschüssiger Energie auf der Via Claudia Augusta in Rekordzeit die 30 km bis Meran zurückgelegt. Hier traf ich wieder auf einen Tourenradler, den ich oben am Reschenpass bereits getroffen hatte. Wir plauderten kurz. Seine Tour würde in Meran enden. Als ich Meran erreichte, folgte ich der manchmal etwas versteckten Beschilderung des Radweges nach Bozen, die mich auf verworrenen Wegen quer durch Meran, aber letztendlich doch in die richtige Richtung schickte. 10 km weiter in Burgstall habe ich mir wieder ein Zimmer genommen.
Tatsächlich zogen am späten Nachmittag von Westen her schwarze Wolken auf, Blitze zuckten über den Himmel, und als die starken Regenfälle niedergingen, hatte ich bereits ein Dach über dem Kopf. Nicht auszudenken, wie es mir da auf dem Sallentjoch ergangen wäre!

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