Alpencross 2016 - Tag 7
[Etappe 1] [Etappe 2] [Etappe 3] [Etappe 4] [Etappe 5] [Etappe 6] [Etappe 7] [Etappe 8] [Etappe 9] [Etappe 10] [Etappe 11] [Etappe 12]Etappe 7
Limojoch - Sciare - San Cassiano - Piz Sorega - Pralongia - Passo Campolongo - Arabba
Länge: 25 km
Gesamtanstieg: 410 Hm
Gesamtanstieg mit Seilbahn: 810 Hm
Gesamtabstieg: 1360 Hm
In der Nacht hatte es gewittert, geregnet und gelegentlich auch geschnarcht – letzteres courtesy of Martin. Trotzdem: unterm Strich ganz passabler Schlaf. Kaum war das Tarp zusammengefaltet, setzte auch schon wieder Regen ein. Also rein in die Membranpanzerung und weiter – quer über die weite Hochebene der Fanes, die bei diesem Wetter wie eine vergessene Mondlandschaft wirkte. Grau in Grau, das Licht diffus, alles nass, alles kalt, alles irgendwie melancholisch – aber auch irgendwie beeindruckend.

Links und rechts ragten die massiven Kalkriesen des Fanes-Gebirges in die Wolken. Bei gutem Wetter ist das sicher ein Panorama zum Niederknien – heute blieb uns nur die Ahnung. Der Trail schlängelte sich mit leichtem Gefälle, garniert mit ein paar Gegenanstiegen, hinüber zum Col de Locia – ein Pass mit Aussicht, sofern man welche hat. Wir hatten keine.

Dafür hatte es aufgehört zu regnen. Der Fels blieb trotzdem glitschig wie Seife. Nach dem Gatter begann die eigentliche Abfahrt – steile Stufen, nasse Steine, der klassische „Wie-genau-soll-man-das-fahren?“-Moment.

Ich ließ Luft aus den mit 2,8 bar gnadenlos überpumpten Reifen – Grip ist hier wichtiger als Rollwiderstand. Und siehe da: Es ging. Mit Feingefühl und etwas Trial-Gymnastik konnte man den Großteil tatsächlich fahren. Aber es war knapp. Rutschig, technisch, potenziell schmerzhaft – genau mein Ding.

Doch dann: Karma-Schlag. Snakebite am Hinterrad. Ich wusste es. Ich wusste es! Ich hatte mir beim letzten Gardasee-Freeride-Urlaub geschworen: Unter 2,5 bar auf Fels nur mit Lebensversicherung. Und was mach ich? Genau. 2,2 bar plus Steinstufen gleich Platten. Der Klassiker. Immerhin: kein Regen während der Reparatur. Ich fluchte leise, wechselte routiniert den Schlauch, pumpte mit der Minipumpe was das Handgelenk hergab – und war später überrascht, dass da sogar 3 bar drin waren. Immerhin eine Panne pro Transalp reicht.

Nach ein paar hundert Metern Schotter kam die Capanna Alpina – der letzte Stützpunkt vor der Zivilisation. Wir rauschten den Trail hinunter nach Sciaré, rollten weiter auf dem Radweg bis St. Kassian und gönnten uns die Seilbahn zum Piz Sorega. 400 Höhenmeter gespart – manchmal darf’s auch bequem sein.

Oben war die Sicht mäßig, die Stimmung besser. Martin gönnte sich ein Frühstück in Rucksackgröße, während ich dem Balztanz einer italienischen Teenagergruppe beiwohnte, die sich im 90-Sekunden-Takt gegenseitig für Instagram inszenierten. Kein Topmodel dabei, aber Content war King. Danach ging’s weiter, vorbei an Rifugio Las Vegas und Bioch, Richtung Pralongià.

Wir querten auf breiten, relativ flachen Wegen die Almhochfläche und erreichten auf 2120 m die Hochebene von Pralongià. Die Stimmung war trotz grauem Himmel fast heiter.

Ab hier begann ein spaßiger Waldtrail – er führte erst quer am Hang, dann flüssig bergab bis zum Passo Campolongo. Trotz Matsch war der Trail gut frequentiert. Wanderer, Biker, alles dabei. Kein Wunder: Der Weg ist bekannt – zu Recht.

Vom Passo Campolongo mussten wir etwa 800 m auf der Straße rollen, bevor wir rechts auf einen weiteren Trail abbogen. Der führte uns, unter Vermeidung der Straßenserpentinen angenehm abwechslungsreich, hinunter nach Arabba. Ein netter Kontrast zu den ruppigen Brocken des Vormittags.

Oben thronte nun die Marmolata, uns gegenüber, verschleiert von einem Wolkenrest. Dort lag der Belvedere – samt Trail, der zu den absoluten Perlen der Region gehört. Der Plan für heute war gewesen: Auffahrt mit der Bahn, Trail mit Aussicht. Aber nicht bei diesem Wetter. Zu viel Matsch, zu wenig Sicht, zu schade. Also schlug ich eine Planänderung vor. Ich argumentierte mit Pathos und Vernunft, Martin grummelte, stimmte dann aber zu. Wir würden die Königsetappe verschieben. Es war die richtige Entscheidung.

Wir checkten in einer Pension ein, reinigten unsere Räder mit freundlicher Gartenschlauchunterstützung der Wirtin, hängten Tarp und Klamotten zum Trocknen auf und begannen ganz langsam, wieder warm zu werden.

Abends dann: Balkon, Rotwein, Hartwurst, Käse, Knoblauch. Klassisches Transalp-Deluxe-Menü. Der Regen prasselte leise aufs Dach, während ich mit Blick auf die dunklen Bergflanken dachte: Morgen. Morgen wird es richtig gut.
[Etappe 1] [Etappe 2] [Etappe 3] [Etappe 4] [Etappe 5] [Etappe 6] [Etappe 7] [Etappe 8] [Etappe 9] [Etappe 10] [Etappe 11] [Etappe 12]