Alpencross 2016 - Tag 6
[Etappe 1] [Etappe 2] [Etappe 3] [Etappe 4] [Etappe 5] [Etappe 6] [Etappe 7] [Etappe 8] [Etappe 9] [Etappe 10] [Etappe 11] [Etappe 12]Etappe 6
Kiefersfelden - Kufstein - Brentenjoch - Kaindlhütte - Hochegg - Hintersteiner See
Länge: 24 km
Gesamtanstieg: 1170 Hm
Gesamtabstieg: 750 Hm
Punkt 8:30 Uhr standen wir wie bestellt und nicht abgeholt an der Talstation der Kronplatz-Seilbahn – zusammen mit einer anderen Truppe ausgerüsteter Mountainbiker, die vermutlich Ähnliches im Schilde führten.

Tickets gekauft, Bikes in die Gondel gehievt, Augen zu und rauf auf den Skitouristenbuckel. Wenig später standen wir auf der blankrasierten Kuppel des Kronplatz – 2275 Meter über dem Meeresspiegel, aber nicht unbedingt über dem guten Geschmack.
Ringsum: eine Ansammlung von Hotellerie, Funparks, Skihütten, Liftanlagen und dem, was man sich in den 1990er Jahren unter “Erlebniswelt” vorgestellt hat. Die Sage erzählt, dass hier einst Dolasilla, die unverwundbare Prinzessin des Fanes-Reiches, gekrönt worden sei. Heute würde man sie vermutlich in einer Neonjacke durch den Bikepark schicken und ihr ein Selfie mit der überdimensionierten Glocke von „Concordia 2000“ aufdrängen – jenem monströsen Stahl-und-Beton-Ding, das man 2003 zum 25-jährigen Skigebietsjubiläum mitten auf den Berg gegossen hat. Wir stiegen natürlich trotzdem rauf. Wenn schon da, dann kann man sich die Panorama-Aussicht wenigstens schönreden.

Kurz darauf rollten wir vorbei am Messner Mountain Museum zum Thema „Klettern“ – eine kuriose Themenwahl für einen Berg, auf dem man außer Skifahren und Gondelgeldverprassen kaum etwas mit vertikaler Bewegung verbindet. Direkt daneben beginnt der „Furcia Freeride“ – die eine Strecke am Kronplatz, die im Sommer legal und mit Spaß zu fahren ist.

Knapp 4 km, rund 70 Kurven, 450 Höhenmeter Abfahrt: Die Strecke ist wie eine überdimensionale Murmelbahn für Erwachsene. Steilkurve hier, kleiner Sprung dort, dazwischen Flow, Waldboden, ein paar Wurzeln – alles gut gebaut, leicht zu fahren, wenn man’s laufen lässt, und mit Tempo dann doch anspruchsvoller als man denkt. Wir genossen jede Kurve. Mal musste nicht alles wehtun, um Spaß zu machen.

Unten am Furkelpass nahmen wir dann die direkte Abfahrt über die Skipisten nach St. Vigil – vermutlich die beste Wahl, wenn man es eilig hat und nicht zu viel Nachdenken in die Linienwahl investieren möchte. Dafür wurde uns beim Runterbrettern etwas anderes bewusst: Die frisch gedüngten Hänge gaben ihren aromatischen Segen reichlich an uns weiter. Kurz: Gülle. Und zwar ordentlich. Unser Zustand bei Ankunft in St. Vigil: olfaktorisch fragwürdig, optisch kriegsbemalt, mental leicht angewidert.

Es folgte das Rautal – ein landschaftlicher Lichtblick. Ein hübscher Waldweg schlängelt sich sanft ansteigend durch ein enges Tal entlang eines glasklaren Bachs, eingerahmt von den Dolomitengipfeln. Man vergisst hier schnell die stinkenden Pistenhänge und freut sich darüber, dass sich der Odel beim nächsten Gebirgsbachbad wieder abwaschen lässt. Das Wetter jedoch blieb unentschlossen – mal Niesel, mal Sonne, der ewige Tanz der Regenjacke.

An der Pederü-Hütte herrschte Hochbetrieb – kein Wunder, sie ist bequem per Auto erreichbar und entsprechend beliebt bei Wanderausflüglern. Wir legten eine Pause ein, tankten Energie und warteten auf ein kleines Wetterfenster, bevor wir uns an die erste richtige Steigung des Tages machten: eine rustikale Schotterstraße, die sich in engen Kehren über einen Kesselhang ins Fanes-Gebirge hochzieht.

Auf 2050 m angekommen, betraten wir das touristische Herz des Hochplateaus: die Faneshütte (urig), die Lavarellahütte (riesig, modern, eher Berghotel) und die kleine Faneshütte, die irgendwie zwischen den Welten steht. Leider kündigten sich über der Zehnerspitze bereits dunkle Wolken an und grollten vielversprechend. Doch wir wollten noch zum Limojoch – also weiter.

Das erreichten wir schließlich im einsetzenden Regen auf 2170 m. Zeit für ein schnelles Gipfelfoto, dann ging’s runter zum Limosee – und damit war die Etappe eigentlich beendet.

Eigentlich. Denn nachdem es aufgehört hatte zu regnen, überredete ich Martin noch zu einem kurzen Aufstieg zum Col Bechei di Spora – weil: Aussicht! Und weil man von dort die morgige Etappe in südlicher Richtung überblicken konnte. Ein lohnender Abstecher.

Dann saßen wir still am See zum Abendessen, dass wir im Tal noch eingekauft hatten. Wir kauten Salami, Käse und Knoblauch, ließen die Blicke schweifen und das Gefühl der Erhabenheit dieser Landschaft auf uns wirken. Ich war begeistert – trotz trübem Wetter, trotz Nässe. Martin eher weniger. Heimweh plagte ihn und drückte die Stimmung.

Also krochen wir bald unters Tarp, das wir nahe des Sees hinter Latschenkiefern aufgespannt hatten, und verbrachten eine feuchte Nacht im Takt des Regens, der unaufhörlich auf die Plane trommelte.
[Etappe 1] [Etappe 2] [Etappe 3] [Etappe 4] [Etappe 5] [Etappe 6] [Etappe 7] [Etappe 8] [Etappe 9] [Etappe 10] [Etappe 11] [Etappe 12]