Alpencross 2016 - Tag 5
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Prettau - Ochsenlenke - Sand in Taufers - Bruneck - Reischach
Länge: 51 km
Gesamtanstieg: 1500 Hm
Gesamtabstieg: 1970 Hm
Ausgeschlafen, geduscht und mit einem ordentlichen Frühstück im Bauch fährt es sich definitiv besser. Vor allem, wenn einem gleich zu Beginn eine derart bissige Steigung bevorsteht, dass sich selbst hartgesottene Bergziegen zweimal überlegen würden, ob sie heute wirklich loswollen.

Etwa zweieinhalb Kilometer nach Prettau gähnt uns ein Straßentunnel entgegen – aber nichts da! Wer zur Ochsenlenke will, biegt vorher rechts ab, ignoriert das düstere Loch im Berg und folgt einer unscheinbaren Nebenstraße, die sich elegant in den Hang schmiegt. Nach einem einsamen Hof verwandelt sie sich in einen Forstweg. Und dann wird’s ernst.
Steil war der Anstieg. Sacksteil. Ich weiß, ich wiederhole mich – aber man muss das erlebt haben. Theoretisch ist die Strecke bis zur Hasentalalm durchgehend fahrbar. Praktisch entschieden wir uns nach der zweiten oder dritten Haarnadel, vom Sattel auf die Füße zu wechseln. Einerseits, weil meine Oberschenkel um Gnade flehten, andererseits, weil mein Allerwertester nach dem gestrigen Ritt eine kleine Auszeit verdient hatte. Der Forstweg schien sich endlos zu ziehen. Und während wir uns Kehre um Kehre hocharbeiteten, fragte ich mich ernsthaft, wer hier wohl im Rahmen eines Alpencrosses freiwillig raufradelt.

Kurz vor der Hasentalalm lichtete sich der Wald, das Gelände öffnete sich und wir stiegen wieder auf. Das Hochtal, das sich vor uns auftat, war ein echter Augenschmaus. Weiße Wand und Schwarzerspitz grüßten aus der Ferne, als wollten sie sagen: „Na, kommt ihr noch klar da unten?“ Wir befanden uns mittlerweile im Naturpark Rieserferner-Ahrn, einem dieser seltenen Orte, wo sich Einsamkeit, Wildnis und Postkartenidylle begegnen. Die Hasentalalm – unbewirtschaftet, einsam, charmant verwittert – ließen wir hinter uns.

Wir gönnten uns am Wegesrand ein zweites Frühstück mit Brot, Käse, Knoblauch und dem letzten Apfel aus dem Rucksack. Es war einer dieser Momente, in denen alles passt: Tempo, Wetter, Ausblick, innerer Frieden.

Der Weg wurde schmaler, schlängelte sich über Almwiesen, aber – und das war die gute Nachricht – blieb weitgehend fahrbar. Weniger steil als der Aufstieg durch den Wald, dafür mit Aussicht, Alpenblumen und frischer Bergluft.

Wir erreichten schließlich die Ochsenlenke – ein unscheinbarer Sattel auf 2560 m, an dem ein kleiner, spiegelglatter Schmelzwassersee lag. Eine Wandergruppe hatte dort Rast gemacht und teilte sich Brot, Wurst und Geschichten. Wir beobachteten einen kleinen Frosch, der unbeirrt durch den eiskalten Tümpel paddelte, und dann machten wir uns an die Abfahrt ins Knuttental.

Die war – zur Abwechslung – flowig. Keine Tragestrecken, keine verblockten Spitzkehren, keine Schiebepassagen. Einfach rollen lassen, freuen, leben. Nach den Strapazen des Vortags ein willkommener Ausgleich. Schon bald erreichten wir den Abzweig auf 2050 m. Ursprünglich wollte ich von hier zum Klammljoch weiter und über den Pfoisattel – aber da in unserer Route noch ein paar Unklarheiten schlummerten und wir nicht in die Nacht hinein navigieren wollten, entschieden wir uns für den Plan B: direkt runter durch das Reintal bis Sand in Taufers und dann weiter über den Kronplatz.
Und diese Abfahrt hatte es in sich. Erst Schotterpiste mit Rallye-Feeling, dann Asphalt mit eingebautem Geschwindigkeitsrausch. In Rein in Taufers wurden wir kurz von einem Schauer überrascht – Regenjacken raus, anziehen, 300 Meter weiter: Regenjacken wieder rein. Das Wetter spielte mit uns Pingpong. Ich entschied mich, die Jacke einfach endgültig zu versenken – wenn schon nass, dann mit Stil.

Die Abfahrt nach Sand in Taufers war ein echtes Straßenrennen. Mehr als 75 km/h zeigte mein Tacho – und ich fühlte, wie die warme Luft mit zunehmender Geschwindigkeit mein Gesicht glühend auflud. Unten angekommen: 32 Grad. Südtiroler Backofen. Wir flüchteten auf den Radweg nach Gais und fanden dort eine herrlich unspektakuläre Erfrischung: die Baggerlacke – ein künstlicher See, der genau das war, was wir brauchten. Schuhe aus, reinspringen, durchatmen.
Dann weiter nach Bruneck, Altstadtquerung, finaler Anstieg nach Reischach. Unterkunftssuche war kein Spaziergang – die Preise in der Kronplatzregion sind selbst im Sommer gesalzen. Planiert, vermarktet, teuer. Schließlich fanden wir aber doch noch eine Pension mit anständigem Preis-Leistungs-Verhältnis – nicht schön, aber zweckmäßig.

Abends saßen wir in einem eher unauffälligen Restaurant am Ortseingang, das den Charme eines Gewerbegebiets versprühte. Die Pizza war überraschend okay. Und das reichte auch. Der Tag war lang gewesen, heiß, intensiv. Aber schön.
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