Die Sache mit der Phasendetektion: Nikon DL24-85 vs. Sony RX100-IV

Vor kurzem habe ich für Foto- und Videoenthusiasten einen Beitrag zur Kompaktkamera Nikon DL24-85 (bzw. Nikon DL18-50) veröffentlicht. Gerade für uns Outdoor-Sportler sind kompakte Kameras mit erstklassiger Bildqualität und technisch umfangreicher Ausstattung äußerst interessant. Deshalb liegt mein Schwerpunkt ausschließlich auf Kompaktkameras mit einer Sensorgröße von 1 Zoll, den so genannten Premium-Kompaktkameras. Diese können sogar weitgehend mit hochwertigen digitalen Spiegelreflexkameras (DSLRs) mithalten.

Ich habe nun an dem Beitrag eine Ergänzung vorgenommen, da ich auf eine kleine aber dennoch höchst interessante technische Weiterentwicklung gestoßen bin, die mir bisher nicht bekannt war. Zum besseren Verständnis werde ich ein wenig ausholen und erläutern:

Das Dilemma mit dem Kontrast-Aufofokus

Da ich mit meiner Kamera (derzeit noch die Sony RX100-I) häufig Serienbilder von Action-Szenen oder Videos bei ungünstigen Lichtverhältnissen mache (z.B. Mountainbike-Action im dichten Wald, Judo-Wettkämpfe in schlecht beleuchteten Hallen etc.), stoße ich regelmäßig an die Grenzen des Kontrast-Autofokussystems, das in beinahe allen Kompaktkameras zum Einsatz kommt.

Der Kontrast-AF verstellt bei einer Aufnahme die Linsen so lange hin und her, bis die Kante zwischen einer hellen und einer dunklen Stelle möglichst abrupt/scharf ist. Diese Methode funktioniert logischerweise am besten, wenn das Bild statisch und kontrastreich ist, bzw. die Beleuchtung gut genug ist, dass klare Kontraste im Bild zu sehen sind. Je schlechter die Lichtverhältnisse und je schneller sich das Objekt bewegt, desto unzuverlässiger und langsamer arbeitet dieser Autofokus, weil er schon systembedingt länger braucht, um sich an das Ziel „anzunähern“ und dabei auch nicht besonders präzise ist. (Den Vogel schießt dabei Canon ab, an diesen Kompaktkameras kann man bei schlechtem Licht schier verzweifeln.)

Phasendetektions-Autofokus für die Profis

Das Problem betrifft in erster Linie Sportfotografen. Seit einiger Zeit gibt es dafür eine technische Lösung, die sich Phasendetektions-Aufofokus (PD-AF) nennt. Hochwertige DSLRs sind heutzutage üblicherweise mit diesem System ausgestattet, Kompaktkameras nicht. Dies ist ein Grund dafür, weshalb man Sportfotografen meistens klobige Spiegelreflexkameras herumschleppen sieht.

Der Phasendetektions-AF arbeitet ganz anders als der Kontrast-AF. Beim PD-AF wird (einfach ausgedrückt) das eindringende Licht an entgegengesetzten Stellen der Linse paarweise aufgeteilt und von zwei verschiedenen Sensoren erfasst. Die beiden Bilder werden dann vom Bildprozessor analysiert und verglichen („überlagert“). Daraus wird berechnet, wie weit die Linsen bewegt werden müssen, um eine hundertprozentige Übereinstimmung zu erzielen. Also: einmal messen, einmal fokussieren, fertig.

blog_2016_05_03

Im Gegensatz zum Kontrast-AF ist hierfür mehr als ein Sensor notwendig. Außerdem muss der Bildprozessor leistungsfähig genug sein, um die Verarbeitung schnell durchzuführen. Das ist jedoch heutzutage für die meisten Hersteller kein Problem mehr (mit Ausnahme von z.B. Canon). Durch die Methode ist im Grunde nur eine einzige mechanische Bewegung der Linse erforderlich, während beim Kontrast-AF durch Annäherung oft viele Linsenbewegungen durchgeführt werden. Das alles führt dazu, dass der PD-AF wesentlich schneller und präziser arbeitet, als der Kontrast-AF.

Der PD-AF benötigt, um optimal zu funktionieren, Objektive mit großer Offenblende (f2.8 oder größer). Motive mit einem sich wiederholenden Muster (z.B. ein gleichmäßiges Gitter) können dem PD-AF Probleme bereiten. Diese Begrenzungen gibt es beim Kontrast-AF nicht. Deshalb kommt in high-end Kameras meistens eine Kombination aus beiden Methoden zum Einsatz. Man spricht dann vom Hybrid-Autofokus. Der Hybrid-AF ist beim heutigen Stand der Technik das optimale Fokussiersystem.

Nikon liefert erste 1-Zoll-Kompaktkamera mit Hybrid-AF

Nun hat Nikon mit den Modellen DL24-85 und DL18-50 erstmalig Kompaktkameras mit großem Sensor entwickelt, die mit einem Hybrid-Autofokus ausgestattet sind. Bemerkenswert ist dabei, dass die DL24-85 in allen anderen Punkten technisch der Sony RX100-IV ebenbürtig, bzw. teilweise sogar überlegen ist (fairerweise muss hier der fehlende elektronische Sucher erwähnt werden, der aber bei Nikon als Sonderzubehör erhältlich ist), und das bei einem deutlich niedrigeren Preis. Da die Nikon DL erst ab November 2016 lieferbar sein wird, gibt es jedoch noch keine Praxistests. (Ursprünglich war Juni als Liefertermin genannt, jedoch gab es technische Probleme beim Bildprozessor und ein Erdbeben nahe der Produktionsstätte.) Die Erfahrung zeigt aber, dass man bei Nikon mit einer hohen Qualität rechnen kann.

Aus heutiger Sicht würde ich für die Nikon DL24-85 eine klare Kaufempfehlung aussprechen.

Man kann davon ausgehen, dass Sony noch diesen Sommer eine RX100-V ankündigen wird, die einen Hybrid-AF bietet und sicher noch ein paar andere technische Verbesserungen, um die Nikon DL zu übertreffen. Die Frage ist nur: wie signifikant werden diese Verbesserungen sein und wird Sony auch beim Preis konkurrenzfähig werden? Wir dürfen gespannt sein…

(Anmerkung: Nikon hat die Entwicklung der DL inzwischen eingestellt.)

blog_2016_03_24_02

Das könnte dich auch interessieren …

Eine Antwort

  1. Martin sagt:

    Hey Andi, mal wieder ein sehr interessanter Beitrag, danke!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert