Gardasee Sentiero 601

Der Sentiero 601 ist ein Downhill-Trail, der vom Gipfel des Monte Altissimo bis hinunter nach Torbole führt. Dabei legt man ganze 2000 Höhenmeter bergab zurück. Der obere Teil des Sentiero 601 ist deckungsgleich mit dem Sentiero della Pace, der unterhalb der Malga Casina von der Tour abzweigt und ebenfalls Sentiero 601 heißt (bzw. 601b), was gelegentlich zu Verwechslungen führt. Wer den Sentiero 601 fährt, den erwartet unterschiedliches Terrain, das zu 90% sehr anspruchsvoll ist. Man sollte unbedingt ein stabiles Bike mit ausreichend Federweg, sowie möglichst viel Freeride- bzw. Downhill-Erfahrung mitbringen, da man sonst über weite Strecken schieben oder auf die Straße ausweichen wird.

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Wenn man es bis hoch zum Rifugio Altissimo auf 2050 m geschafft hat, sei es per Bike Shuttle oder im Schweiße des Angesichts, hat man mehrere Möglichkeiten, abzufahren. Die mit Abstand herausforderndste ist es, einen der schwersten Trails am Gardasee unter die Stollen zu nehmen: Den Sentiero 601. Viele Mountainbiker glauben, den Trail schon gefahren zu sein. Aber die wenigsten von ihnen haben dies tatsächlich in voller Länge getan. Teilweise sind die Abzweige nicht leicht zu finden, man muss sich schon gut auskennen. Ein Downhill-Bike ist dafür empfehlenswert, ein Fully mit viel Federweg eigentlich Mindestvoraussetzung. Mit einem Hardtail wird man einen Großteil der Strecke eher unkontrolliert hinunterstolpern, oder irgendwann entnervt auf die Straße ausweichen, bzw. die meisten Schlüsselstellen schieben. Und Schlüsselstellen gibt es viele. Außerdem darf man Protektoren keinesfalls vergessen.

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Es beginnt gleich recht knackig. Etwa 200 Meter nach dem Traileinstieg erwarten einen steile Felspassagen, die selbst für Wanderer ein Hindernis darstellen. Es ist eine angemessene Portion Fahrtechnik und Mut erforderlich, um hier im Sattel zu bleiben. Mir kommen zwei Mountainbiker entgegen, die ihre Räder auf den Schultern hinauftragen. Felsstufen, große Steinbrocken und Geröll kennzeichnen diesen Weg, der auf ca. 1870 Hm in die einzige Flowpassage dieser Abfahrt mündet.

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Hier darf man auf einer kurzen Strecke von etwa 500 Metern über eine Almwiese rollen, bevor es wieder steinig wird. Auf einem steinigen und holprigen, aber gut zu fahrenden Weg trailt man hinunter bis zur Wegekreuzung auf 1720 Meter. An dieser Stelle treffen sich der von oben kommende Sentiero 601, der aus dem Val de Parol kommende Trail, der Weg zur Malga Campei, die Fortsetzung des Sentiero 601, sowie eine geschotterte Forststraße, die hier oben für den motorisierten Verkehr gesperrt ist. Letztere wird verständlicherweise von den meisten Bikern als Abfahrt gewählt.

Wir wählen natürlich den Sentiero 601, sonst würde dieser Erfahrungsbericht ja keinen Sinn ergeben. Der kleine Pfad verschwindet in einem Wäldchen und man erkennt an diesem Punkt noch nicht, was einen erwartet. Rund 250 Höhenmeter legt man nun auf einer ziemlich technischen Strecke zurück, die aufgrund komplizierter Felsstrukturen, engen Kurven und später auch lockerem Geröll selbst mit einem Downhill-Bike nur langsam gefahren werden kann. Ein Enduro-Bike ist sehr gut geeignet, den Abschnitt zu meistern. Dabei überquert man zwei- oder dreimal die Forststraße, die in Serpentinen nach unten führt und die der Wanderweg abkürzt. Schließlich erreicht man einen Parkplatz, der von den meisten Wanderern angefahren wird, die den Gipfel des Monte Altissimo zum Ziel haben. Wir befinden uns jetzt auf 1550 m über dem Meeresspiegel.

Was uns nun erwartet ist ein zunehmend steiniger und stufiger Trail, der noch etliche Male die inzwischen asphaltierte Monte-Baldo-Straße kreuzt (die übrigens ein El Dorado für E-Biker zu sein scheint). Der Trail verläuft nun fast ausschließlich im Wald. Sein typisches Charakteristikum sind fest in den Boden eingebackene kopfgroße Steine, hin und wieder Felsen, ein ruppiges und teilweise steiles Gelände, das jeden Biker unabhängig vom Federweg gehörig durchschütteln wird. Über etwa 500 Hm werden Material und Fahrer stark beansprucht! Ich bin die Strecke schon mit einem 150 mm Enduro-Fully gefahren. Auch das ist möglich, wenngleich man damit deutlich langsamer unterwegs ist. Mit einem 200 mm Downhill-Bike hatte ich jedoch deutlich mehr Spaß und konnte durchwegs eine hohe Geschwindigkeit fahren. Bei Nässe ist die Sache unangenehm, da die glatten runden Felsen dann enorm rutschig werden, zusätzlich verschärft durch das viele herumliegende Laub. Erstklassige Reifen sind dann obligatorisch.

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Der ganze Trail scheint menschenleer zu sein, denn die meisten Mountainbiker fahren die Serpentinenstraße runter, anstatt ihre Knochen und ihr Bike auf dem 601er kaputtschütteln zu lassen. Bei der unbewirtschafteten Malga Casina auf 1020 m ü.M. kann man an Bänken und Tischen eine verdiente Pause einlegen. Denn der Sentiero 601 in seiner vollen Länge fordert alle Kräfte des Bikers. Nach der Hütte setzt sich der Trail noch für 200 Hm in gewohnter Weise fort, überquert wieder die Straße und führt zwischen zwei Felswänden durch. Dann kommt ein scharfer Linksabzweig und man steht vor dem offiziellen Beginn der Seicentouno Downhillstrecke.

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Diese Downhillstrecke wurde von der AGBA von Geröll und Gestrüpp gereinigt und dadurch angenehmer befahrbar gemacht. Außerdem haben die Jungs eine größere Schanze, zwei Steilkurven und eine kleine Schanze (alles umfahrbar) angelegt, die man kurz nach dem Einstieg findet.

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Danach geht es auf einem reinen Naturtrail weiter. Dieser ist jedoch auch ohne Geröll und Geäst äußerst anspruchsvoll zu fahren. Steile und hohe Felsstufen von teils einem halben Meter Höhe, verblocktes steiles Gelände und schwierige Passagen kennzeichnen diesen Streckenabschnitt, der in großen Teilen bis runter auf 200 Hm so aussieht. Unterwegs machen mir zwei bergab schiebende Mountainbiker Platz und kommentieren kopfschüttelnd meine halsbrecherischen Fahrmanöver.

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Auf 180 m Höhe befindet sich das Ende der offiziellen Downhillstrecke, der Trail mündet dort auf eine Straße. Man hat dann noch die Möglichkeit, ein paar kleine Trailstücke mitzunehmen, bevor man die letzten Meter hinunter nach Torbole auf der Straße abrollt. Eines dieser Trailabschnitte ist eine kurze Felsstufenabfahrt bei Busatte, bei der ich eine Gruppe von Enduro-Bikern überhole, die ebenfalls ihre Fullys dort hinunterschieben.

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Wie eingangs schon erwähnt, kann man zur Fahrbarkeit dieses Trails nur schwer Aussagen treffen. Es hängt in erster Linie von den Fähigkeiten und der mentalen Stärke des Bikers ab. Aber auch von der Kraft und Ausdauer, denn die Tour ist mit 2000 Hm äußerst lang. Meiner Meinung nach muss man ein geübter Downhiller/Freerider sein, um dort halbwegs durchgängig fahren zu können, und man sollte das passende Bike mitbringen. Alles andere ist wenig sinnvoll. Der Gardasee ist insgesamt ein anspruchsvolles Bike-Revier. Der Sentiero 601 gehört dabei zu den schwierigsten Strecken (wenn man die mit akuter Absturzgefahr ausnimmt).

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Hier gibt es zu dieser Tour noch eine ausführliche Video-Dokumentation!

Hinweis: GPS-Daten kann ich leider nicht zur Verfügung stellen. Hierfür bitte in den entsprechenden Online-Portalen recherchieren. Wenn man diesen Trail fahren möchte, sind die örtlichen Regulierungen zum Biken auf Wanderwegen zu beachten. Der Trail unterliegt ständigen Veränderungen. Biken nur auf eigene Verantwortung!

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2 Antworten

  1. Max sagt:

    Super Beschreibung und alle Achtung daß du das alles gefahren bist. Ich bin mal einen Teil von dem 601 gefahren bzw. geschoben, war nicht meins. Dein Bericht macht aber Lust es nochmal zu versuchen.

  2. Oberberger sagt:

    Mega Beschreibung, der muss unter die Räder.

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