Aufbau eines Freeride-Bikes Teil 1: Rahmen/Federelemente

Nach ein paar erlebnisreichen Tagen am Gardasee habe ich beschlossen, mir ein Freeride-Bike von Grund auf neu aufzubauen. Ich bin wieder einmal an die technischen Grenzen meines guten alten Lapierre Zesty 514 gestoßen. Durch die Aufrüstung des Zesty-Bikes auf eine RockShox Sektor RL Coil (150 mm Federweg, super Ansprech- und Dämpfungsverhalten) hatte sich die Freeride-Fähigkeit des Bikes zwar verbessert. Ich kann auf den typischen felsigen, steilen Gardasee-Freeridestrecken gut mit anderen Downhillbikern mithalten. Allerdings muss ich besser auf die Linie achten, geschickter Biken und viel mehr mit dem Körper abfangen. Außerdem wird das Material deutlich stärker in Mitleidenschaft gezogen, weil es für solch eine Beanspruchung eigentlich nicht vorgesehen ist.

Der Fahrspaß mit einem richtigen Freeride- oder Downhill-Bike ist wesentlich größer, gerade wenn man schnelle Fahrten auf technisch sehr anspruchsvollem Gelände liebt und gelegentliche Drops den Trail würzen. In meinem letzten Video erkennt man recht gut, wie mein Transalp-Bike an seine Grenzen gebracht wird. Denn das Lapierre Bike ist eigentlich gebaut für technische Trails im gemäßigten Tempo, MTB-Touren, längere Bergauffahrten, Alpenüberquerungen.

Da ich doch recht häufig am Gardasee zum Downhillbiken bin, war der Schritt längst überfällig. Ich habe mir vorgenommen, ein passendes Bike von Grund auf neu zusammenzubauen. Das hat nicht nur den Vorteil, dass ich genau die Komponenten verbauen kann, die ich möchte. Ich spare mir auch eine Menge Geld, wenn ich beim Kauf der Teile geschickt vorgehe. Für so ein Bike müsste ich, wenn ich es komplett neu kaufen würde, mindestens 5000 EUR zahlen. Durch einen Selbstbau komme ich grob geschätzt vielleicht auf 3000 EUR. Auch das ist schon sehr viel Geld für mich, aber günstiger wird man nicht wegkommen, wenn man auf gute Qualität Wert legt. Außerdem hat der Eigenbau den riesigen Vorteil, dass am Ende nur die Wunschkomponenten in top Qualität verbaut sind, man sein Bike in- und auswendig kennt und man auch bei Wartungsarbeiten sofort weiß, wo man hinlangen muss.

Ich werde hier den Aufbau des Bikes genau beschreiben. Vielleicht hat ja jemand mal Lust, ein ähnliches Projekt anzugehen und kann einige nützliche Informationen daraus ziehen. Die dort gewonnenen Erkenntnisse lassen sich übrigens auf andere Mountainbike-Typen übertragen. Ich möchte noch vorwegschicken, dass ich immer versuche, einen guten Kompromiss aus Qualität, Preis, Gewicht, Selbstwartbarkeit und gut erhältlichen Standardteilen zu finden. Es wird in Bezug auf meine Zusammenstellung deshalb immer Optimierungspotential geben, es geht immer besser und leichter. Ich gehe bestimmte Kompromisse ganz bewusst ein.

Der Rahmen

So, genug gelabert! Fangen wir mit dem Herzstück des Bikes an: Dem Rahmen.

Die Rahmenwahl wird besonders dadurch eingeschränkt, dass man sich auf die Suche machen muss, welche 26-Zoll-Exemplare zurzeit bei irgendeinem Händler zu einem günstigen Preis zu haben sind. Wenn man nichts passendes findet, sollte man sich ggf. einige Wochen oder Monate Zeit nehmen und immer wieder vergleichen. Man kann sehr gute Rahmen für gut 60% unter dem regulären Händlerpreis erhalten, wenn man einen günstigen Zeitpunkt erwischt. Dabei handelt es sich oft um Einzelstücke oder Auslaufmodelle, die das Lager des Händlers belegen und abgestoßen werden sollen. Dafür hat man normalerweise keine Wahl mehr bei der Farbe, man muss nehmen was man bekommt.

Lohnt es sich, gebraucht zu kaufen? Bei einem gebrauchten Rahmen geht man immer ein gewisses Risiko ein. Bikes dieser Kategorie werden naturgemäß ziemlich beansprucht. Man macht damit eher wilde Drops im Bikepark, als damit zur Eisdiele zu radeln. Nicht jeder Rahmenschaden ist auf den ersten Blick zu erkennen, schon gar nicht auf einem Foto im Internet. Es muss also ausreichendes Vertrauen zum Verkäufer herrschen, oder eine Risikobereitschaft des Käufers. Außerdem verliert man beim Gebrauchtkauf selbst bei jungen Rahmen oft die Garantie des Herstellers, denn viele Hersteller geben nur für den Erstkäufer Garantie. Wenn man noch berücksichtigt, dass gebrauchte Rahmen meist nur geringfügig kostengünstiger sind, als ein Sonderangebot für einen Neurahmen, macht so eine Aktion nur in seltenen Fällen Sinn.

Der Einsatzzweck meines neuen Bikes ist im Bereich „Freeride“ bzw. „Downhill“. Genau lässt sich das nicht spezifizieren, da die Grenzen fließend sind. Es soll einfach sehr gute Bergabqualitäten haben und einen Federweg (Rahmen) von mindestens 180 mm bieten. Die Geometrie soll das Bergauffahren nicht ganz unmöglich machen, denn ich will auch ab und zu in der Lage sein, mal 1000 Hm damit hochzukurbeln, auch wenn der Komfort dabei sicher auf der Strecke bleibt. Weiterhin wichtig ist mir, dass die Leitungen für Bremse und Schaltwerk nicht unten am Tretlager vorbeiführen, sondern weniger exponiert verlegt werden können. Außerdem will ich ausschließlich 26″ Laufräder fahren, denn von dem ganzen 27,5″- und 29″-Scheiß halte ich gar nichts, ganz besonders nicht bei Fahrten im technischen Gelände, in dem auch eine gewisse Wendigkeit gefragt ist. Auch eingepresste Tretlager mag ich nicht, denn die kann ich nicht selbst austauschen. Daher ist ein Standard-BSA-Gewinde ebenfalls ein Auswahlkriterium, Pressfit ein No-go. Die Rahmengröße L sollte für mich passend sein (183 cm Körpergröße). Im All-Mountain-Bereich sind L-Rahmen mit 50 cm Rahmenhöhe für mich gerade nicht zu klein, da muss ich den Sattel schon ganz nach Hinten stellen.

Mit diesen Eckdaten habe ich mich auf die Suche gemacht und zwei interessante Rahmenmodelle (inklusive Fox Stahlfeder-Dämpfer) gefunden:

  • Transition Bikes TR250, Modell 2014 (1100 EUR inkl. Dämfer, uvP. 2550 EUR)
  • Morewood Kalula, Modell 2014 (800 EUR inkl. Dämpfer, uvP. 2200 EUR)

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Preislich liegt der Kalula weit unter dem TR250. Ich denke nicht, dass sich die Bikes in der Qualität großartig unterscheiden. Kleinere Probleme älterer Jahrgänge wurden bei beiden Rahmen bereits ein bis zwei Generationen vorher ausgemerzt. Beim TR250 kann man die Geometrie des Rahmens (Federweg, Hinterbaulänge, Lenkwinkel) verstellen. Das ist aber ein Feature, welches ich nicht benötige und sogar für etwas unsinnig halte. Man wird das Bike einmal konfigurieren und es dann dabei belassen. Der Dämpfer vom Morewood ist durch seine Position theoretisch mehr dem hochspritzenden Dreck ausgesetzt, der Hersteller hat das jedoch sehr elegant mit einem Mudguard am Hinterbau gelöst. Dadurch sind Dämpfer und Gelenke sogar noch besser vor Verschmutzung geschützt, als beim Transition Bike. Davon abgesehen sind beide Modelle von der Geometrie her vergleichbar. Das Morewood ist etwas wendiger gebaut, das Transition ca. 200 g schwerer. Beide Rahmen eignen sich sehr gut zum Downhill-Fahren und sind nicht dafür gemacht, lange Strecken bergauf zu radeln. Das ist aber auch nicht Sinn und Zweck des Bikes.

Rein optisch gefiel mir der Morewood in Raw (Aluminium-Silber) wesentlich besser, als der nur in weiß-grün erhältliche Transition Rahmen. Ich hätte den TR250 auch in Raw gebraucht für 900 EUR inkl. Dämpfer bekommen, aber aus den genannten Gründen habe ich darauf verzichtet.

Die Entscheidung war gefallen: Der Morewood Kalula würde es werden!

Federgabel und Dämpfer

Passend zum Rahmen und zum Einsatzzweck müssen die richtigen Federelemente verbaut werden. Besonders der Dämpfer sollte zum Rahmen passen, denn die Kriterien für die Auswahl eines Dämpfers sind wesentlich komplizierter als die einer Federgabel, und wenn der Dämpfer nicht passt wirkt sich das negativ auf das Fahrverhalten aus. Deswegen sollte man am besten einen Rahmen mit dazugehörendem Dämpfer kaufen, oder sich nach den Empfehlungen des Rahmenherstellers richten. In meinem Fall kein Problem, der hervorragende Stahlfeder-Dämpfer Fox Van RC Performance mit 76 mm Hub und einer 300 lbs Stahlfeder war beim Set dabei.

Anmerkung: Der Hub sagt aus, wie weit sich der Dämpfer komprimieren lässt. Der tatsächliche hintere Federweg hängt vom Hub und der Rahmengeometrie ab. In meinem Fall sind das 180 mm. Hieran erkennt man bereits, dass das Zusammenspiel von Dämpfer und Rahmen passen muss, weil sonst zu starke Hebel- bzw. Schubkräfte auf den Dämpfer wirken können.

Bei der vorderen Dämpfung hatte ich eine Doppelbrückengabel mit ca. 200 mm Federweg im Sinn. Bei schnellen Fahrten durch felsiges Gelände wird so ein wuchtiges Teil seine Stärken voll ausspielen können. Die Gabel ist auch für die Rahmengeometrie super geeignet. Beim Bergauffahren ist sie logischerweise eher ein Hindernis. Aufgrund diverser Tests, persönlicher Erfahrungen und Tipps hatte ich folgende Favoriten:

  • Rock Shox BoXXer
  • Marzocchi 380
  • DVO Emerald

Dabei kommen für mich ausschließlich Stahlfedergabeln infrage. Von luftgefederten Bauteilen nehme ich Abstand, weil die Wartung wesentlich aufwändiger ist und eher nicht von mir selbst durchgeführt werden kann. Außerdem ist das Ansprechverhalten einer Stahlfeder immer unkompliziert und eindeutig (linear), während man am richtigen Setup einer Luftfedergabel schon mal verzweifeln kann. Man muss lediglich die zum Gewicht des Fahrers passende Federhärte auswählen (ein nachträglicher Tausch der Stahlfeder ist auch kein Problem). Dafür nehme ich gerne das Mehrgewicht von rund 300 g inkauf (das man mit einer Titanfeder noch reduzieren könnte).

Wegen der unkomplizierten Wartbarkeit, des guten Ansprechverhaltens und eines günstigen Angebots habe ich mich für die RockShox BoXXer Team Coil 42 mit einem Federweg von 200 mm und einem Gewicht von 2890 g entschieden. Die Gabel ist (wie die meisten Doppelbrückengabeln) für Laufräder der Größe 26″ und 27,5″ geeignet. Der Preis war mit 760 EUR sehr fair.

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Ausblick

Die Grundbestandteile des Freeride-Bikes stehen nun fest. Durch sie werden die Eigenschaften der restlichen Anbauteile festgelegt. Im nächsten Teil werde ich erläutern, für welche Anbauteile ich mich entschieden habe und was zu meiner Entscheidung geführt hat.

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4 Antworten

  1. Ralph sagt:

    Super Entscheidung, die RAW-Optik ist einfach etwas besonderes und sieht in Natura noch wesentlich besser aus als auf den Fotos.
    Bin schon gespannt auf den nächsten Teil des Blogs und wie du nach dem Aufbau dann mit dem Fahrverhalten des Downhillers zufrieden bist :)

    Du wirst, wie schon beim Umstieg von Hardtail auf Fully, definitiv einen deutlichen Unterschied merken. Ordentliche Federelemente und gescheite Reifen erleichtern die Linienwahl, entlasten einen beim Fahren und sorgen generell für mehr Sicherheit in grenzwertigen Situationen. Und ab und zu 1000 Höhenmeter rauf strampeln, das ist doch für dich als Extrem-Alpencrosser eh ein Kinderspiel, egal mit welchem Rad.

  2. Frank sagt:

    Echt cool, super interessant, bin schon total gespannt wies weiter geht. Deine Blogs haben immer super Erklärungen und sind fundiert, ich wollte noch mal ein Lob aussprechen für die hochwertigen Inhalte und die Mühe die du dir machst !!!

  3. Heinz sagt:

    Bei Dir habe ich so das Gefühl, erstens weißt Du was Du willst und machst bei den ganzen Wahnsinn der sich am Radsektor abspielt nicht mit. Hast ein fundiertes Wissen und gibst dies auch weiter. Ein großes Lob wie Frank schon schrieb auch von mir!

    LG. Heinz

  4. Anonymous sagt:

    danke für die guten tipps ich werde mir bald auch ein Downhillbike also freeridebike machen nochmal danke

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