Alpencross 2013 Tag 8

Etappe 8: Modrasovec – Stanjel – Pliskovica – Santa Croce – Trieste
Länge: 70 km
Steigung: 800 Hm


Die Nacht begann wieder einmal mit ein paar Stechmücken, die sich aber verzogen, sobald es stockfinster war. Alpine Stechmücken scheinen friedlicher zu sein, als ihre agressiven Kollegen im Tal! Ich genoss einen herrlichen Blick auf den Sternenhimmel, bevor mir die Augen zufielen und ich in einen traumlosen Schlaf fiel. Gegen 5:00 Uhr wachte ich auf und packte meine Sachen, um die letzte Etappe zum Mittelmeer zu beginnen.

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Der verbotene Trail vom Caven hinunter nach Stomaz war genial! Wie sollte es auch anders sein, waren doch die meisten genialen Trails auf meiner Tour für Mountainbiker gesperrt. Es ging über Wurzeln und Steine, mal flowig, mal steil, mal durch enge Kehren über den Hang talwärts. Die Abfahrt forderte einiges an Konzentration und Kraft. So früh war außerdem kein einziger Mensch unterwegs, so dass sich niemand an meiner illegalen Trailorgie stören konnte. Während die Beschilderung wenig hilfreich war, konnte ich mich hundertprozentig auf den Track meines Navis verlassen, den ich vorher gewissenhaft recherchiert hatte.

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Bei Stomaz mündete der Trail auf eine Asphaltstraße, die weiter bergab bis zu einer Landstraße führte. Nach nur 800 Metern konnte ich diese wieder verlassen und bog auf eine Nebenstraße nach Dobravlje und Velike Zablje ein.

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So früh am Morgen waren noch keine Autos unterwegs, und so konnte ich den folgenden Serpentinenanstieg nach Smarje unbehelligt überwinden. Danach folgte eine kurze und rasante Asphaltabfahrt bis hinunter zum Flüsschen Branica, wieder gefolgt von einem Serpentinenanstieg (diesmal auf Schotter) nach Stanjel. So kam ich trotz des verhältnismäßig flachen Geländes doch auf einige Höhenmeter am heutigen Tag.

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Eine kleine Landstraße brachte mich bis nach Kobljeglava. Dort bog ich auf einen Karrenweg ein. Auf diesem fuhr ich zwischen alten, von wilden Brombeeren überwucherten Steinmäuerchen durch eine verlassene mediterrane Landschaft nach Kosovelje. Dieser Feldweg war leicht abschüssig, was den Fahrspaß deutlich erhöhte. Ich hatte diese ausgefallene Route vor meiner Reise ahnand von Satellitenkarten recherchiert, und sie war wunderschön!

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In Kosovelje bekam ich noch einmal 800 Meter Asphalt unter die Stollen, dann lenkte mich mein Navi abermals auf einen verlassenen Feldweg, auf dem die Grillen zirpten und die wilden Kräuter dufteten. Die Gegend erinnerte mich sehr stark an meine Radtourenabenteuer in Griechenland vor langer Zeit. Äußerst glücklich und zufrieden über meine Routenwahl kam ich in Pliskovica an, rollte durch das gemütliche Dorf bis zu einer Landstraße. Doch Verkehr? Nein, denn nach nur 400 Metern bog ich unter den verwunderten Blicken eines vorbeifahrenden Rennradfahrers scharf links auf einen verkommenen Schotterpfad ab, der in wild überwucherte Felder hineinführte. Irgendwo meinte dann mein Navi, dass ich rechts abbiegen sollte. Tatsächlich entdeckte ich an der Stelle etwas Wegähnliches. Was nun folgte, war ein unglaublicher Trail, der mich 2 km weit über Stock und Stein durch einen mediterranen Urwald führte. Abenteuerlich, absolut einsam, eingewachsen, wunderschön und komplett fahrbar. Der Trail mündete in einen groben Schotterweg, der von Veliki Dol herunterzukommen schien. Auf diesem ging es hoch auf einen etwa 400 m hohen Kamm, der die letzte Hürde vor dem Mittelmeer darstellte. Dort oben befand sich auch die Grenze zwischen Italien und Slowenien. Der Uphill kann übrigens komplett gefahren werden.

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Nach dem Passieren der grünen Grenze auf Wegen, die lange kein Mensch mehr gesehen hat, folgte ein Schotterdownhill nach Coludrozza, dann weiter zwischen verwilderten Feldern und Gärten über Sales bis nach Bristie. Ab hier werden Federelemente und Stollenreifen überflüssig, denn bis Triest wird man außer Beton und Asphalt nichts mehr unter die Räder bekommen. Schon bald erreichte ich Santa Croce, ein nettes Dorf oberhalb der Adria gelegen, und konnte es kaum erwarten, endlich ins Meer zu springen.

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Auf der Suche nach einem Zugang zum Meer bin ich etwa 2 Stunden lang an der Küste hin- und hergefahren und habe beim Ausprobieren einiger Stichstraßen noch etwa 200 Hm zusätzlich auf mich nehmen müssen. Irgendwann folgte jedoch die Ernüchterung, denn die Steilküste ist nördlich von Triest komplett verbaut und in privater Hand. Alle Zugänge zum Meer sind eingezäunt und vergittert, oder enden an einer steilen Treppe, die zum Privatstrand eines Hotels führt. Auf dem Meer vor der Küste trieben einige Fracht- und Containerschiffe. Es blieb mir nichts anders übrig, als der stark befahrenen Schnellstraße in Richtung Triest zu folgen, die oberhalb dieser Grundstücke verläuft. Ich machte noch einen Abstecher hinunter zum Hafen Miramare, doch auch dieser war wenig sehenswert und der Zugang zum Schloss Miramare gesperrt.

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Ich fuhr auf der Schnellstraße ein Stück weiter an Miramare vorbei in der Hoffnung, dort einen Zugang zum Strand zu finden. Den gab es tatsächlich, denn die Straße führte kurz vor Triest hinunter zum Meer und in etwa 5 Meter Entfernung am Strand entlang. Dazwischen hatte man einen Betonstreifen angebracht, auf dem sich zahlreiche Italiener auf ihren Handtüchern ausgebreitet hatten, so dass man nicht mal mehr mit dem Fahrrad entlangfahren konnte. Welcher Mensch, der einen gesunden Verstand hat, legt sich zum Sonnen auf einen schmalen Betonweg direkt neben eine stark befahrene Schnellstraße?? Endlich fand ich eine Art Restaurant und bestellte eine Pizza, da ich den ganzen Tag lang noch nichts gegessen hatte. Was ich serviert bekam, war eine ausgetrocknete Teigkruste mit Käsematsch oben drauf, und untertraf jede mittelmäßige Pizzeria in Deutschland. Ich muss zugeben, dass ich in diesem Moment äußerst frustriert und enttäuscht war. Nach all den Anstrengungen hatte ich mir meinen Alpencross-Abschluss ganz anders vorgestellt! Die Lust auf ein Bad im Meer war mir jedenfalls vergangen und ich wollte nur noch schnellstmöglich nach Hause. Eigentlich hatte ich ja vor, die Strecke nach Udine mit dem Fahrrad zurückzulegen, doch noch einmal 30 km auf der Schnellstraße zurückzulegen, darauf hatte ich keine Lust. Also nichts wie zum Bahnhof!

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Nun wird sich mancher Leser Fragen, wie es zum dem Venedig-Foto gekommen ist. Tja, den Kurzbesuch in Venedig habe ich der Kompetenz von Trenitalia zu verdanken. Es begann am Bahnhof in Triest…

Mein Ziel war Udine, um von dort mit der Bahn nach Villach zu fahren und dort meine Direktverbindung nach München zu erreichen. Dank fehlerhafter Anzeigetafel, defektem Zuganzeiger am Bahnsteig und Ignoranz eines Schaffners stieg ich ohne es zu bemerken in den falschen Zug. Auf der Fahrt konnte ich noch bis Monfalcone den Blick auf das Meer genießen, bevor ich eine Stunde später langsam Verdacht schöpfte, das irgendwas nicht stimmen konnte. Als ich den Schaffner frage, erfuhr ich, dass der Zug nach Venedig fuhr! VERDAMMT! Zurückfahren war ungünstig, also kassierte die Trenitalia noch einmal 17 Euro für ein Ticket nach Venedig. Dort hatte ich 2 Stunden Zeit um meinen Anschlusszug nach Verona zu erreichen. Diese Zeit nutzte ich, um besagtes Foto zu machen und die teuerste Flasche Mineralwasser meines Lebens zu kaufen, da ich wieder einmal kein Trinkwasser mehr hatte. Ein Wasser, das teuerer ist als die gleiche Menge Benzin, sollte den Durst schon löschen können, oder?

Die italienische Bahn fühlt sich bekanntlich nur für sich selbst zuständig. Deshalb ist es unmöglich, eine Verbindung nach Deutschland zu buchen oder gar Anschlussverbindungen zu erfragen. Die italienische Bahn transportiert dich bis zur Grenze und überlässt dich dort deinem Schicksal. So erging es mir, als ich um 0:30 Uhr am Brenner den Zug verlassen musste. Durch einen glücklichen Zufall stand dort noch ein Regionalzug nach Innsbruck. Ich hatte mir schon auf der Fahrt ausgemalt, wie ich bei stockfinsterer Nacht die alte Brennerstraße nach Innsbruck abfahre, oder irgendwo auf dem Brenner im Gebüsch mein Biwak aufschlage. Insofern hatte ich Glück im Unglück und erreichte etwa eine Stunde später den Innsbrucker Hauptbahnhof. Dort traf ich einen Reiseradler, der vom Gardasee auf dem Heimweg war und mein Schicksal teilte. An dieser Stelle ein herzlicher Gruß an Andreas (ja, er heißt auch so), der mir seine letzte Semmel überließ und mit dem ich die ganze Nacht hindurch nette Gespräche führen konnte!

Gegen 6:30 Uhr konnten wir endlich weiter nach Kufstein fahren. Von dort hatten wir Anschluss an einen Zug nach Rosenheim. In Rosenheim musste ich zum sechsten und letzten Mal umsteigen in den Zug, der uns endlich nach München bringen würde. Inzwischen war der Berufsverkehr in vollem Gange, und wir zwei heruntergekommenen Radfahrer fielen doch etwas aus der Reihe. Ob unsere Radmitnahme im Zug legal war, weiß ich nicht. Es hat niemand kontrolliert und es war mir an diesem Punkt auch egal. Selbst mir roher Gewalt hätte man mich nicht mehr aus dem Zug herausbekommen.

Nach insgesamt 17 Stunden und 30 Minuten war ich endlich in München angekommen. Das ist ungefähr so lang wie ein Flug von München nach Australien. Ein Loblied auf die Bahn, die es immer wieder schafft, Reisende so unbequem und umständlich wie möglich an ihr Ziel zu bringen. Dafür gibt es volle Punktzahl. Von der Fahrradmitnahme in der Bahn, egal ob in Deutschland oder Italien, will ich erst gar nicht reden. Man hat den Eindruck, als würde man den Radreisenden so viele Steine wie möglich in den Weg legen wollen.

Fazit:
Ich durfte einen erlebnisreichen und tollen Alpencross bei sehr gutem Wetter erleben. Alles verlief problemlos, es gab keine nennenswerten Stürze, Verletzungen oder Pannen. Bike und Ausrüstung waren perfekt. Ich habe Routen in den Ostalpen bereist, die noch kaum Mountainbiker gesehen haben. Ich hatte eine Menge Spaß, einige geniale Trailabfahrten, aber auch ein paar brutale Anstiege. Was wünscht man sich mehr? Genau, einen passenden Tourabschluss! Triest war leider etwas ernüchternd und die Heimreise eine quälende Odyssee. Vielleicht wäre es besser gewesen, Grado als Tourziel anzusteuern. Hinterher ist man immer gescheiter.

Das Soca-Tal und der Triglav-Nationalpark haben mich etwas enttäuscht. Besonders der Touristenrummel, der viele Verkehr und all die Bike-Verbote sprechen nicht für die Region. Allerdings war ich auch an einem Sonntag in der Ferienzeit dort. Vielleicht sieht es außerhalb der Saison besser aus. Slowenien war jedenfalls einen Besuch wert, die Leute dort leben oft unter recht ärmlichen Verhältnissen, sind aber durchwegs freundlich. Als Mountainbiker fällt man abseits der bekannten Radwege immer auf. Die Tour war insgesamt klasse und wird mir immer in Erinnerung bleiben. Vielen Dank an dieser Stelle an Denis, von dem ich einige Routentipps für Slowenien erhalten habe!

Auch nach meiner Heimkehr war das Wetter noch lange Zeit hochsommerlich, was mich besonders freute, nicht nur weil es ideale Bedingungen für all die Alpencrosser waren, die ihre Tour noch vor sich hatten. Sondern auch, weil es mir über die nächsten zwei Wochen einen täglichen Grillabend ermöglichte. Die 4 Kilo, die ich auf meiner Transalp verloren hatte, waren 2 Tage nach meiner Rückkehr jedenfalls wieder drauf.

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