Alpencross 2019 Tag 6

Etappe 10: Predazzo – Passo Feudo – Passo di Lavazé – Passo Oclini – Kaltenbrunn – Neumarkt – Grumino
Länge: 68 km
Gesamtanstieg: 950 Hm
Gesamtabstieg: 2820 Hm


Nach einem kräftigen Frühstück am Buffet holten wir unsere Bikes aus der Tiefgarage. (Das Fahrradschloss hatte ich zuhause vergessen, aber tatsächlich haben wir es auf dieser Reise kein einziges Mal benötigt. Die Hotels hatten alle abschließbare Räume im Keller oder in der Garage.)

Bis Stalimen mussten wir 2 km auf dem Radweg zurückfahren. Dann verließen wir das Fleimstal und stiegen in die Gondel, die uns im Schneckentempo hoch nach Gardone brachte. Einmal umsteigen in den Sessellift und 15 Minuten später erreichten wir den Passo Feudo (2150 m), den höchsten Punkt unserer Tagesetappe. Dennoch sollten uns noch ein paar beschwerliche Stunden bevorstehen…

Wir befanden uns am Fuße des Latemar-Gebirgsstockes. Bis zum Passo Pampeago (Reiterjoch) verlief die Tour noch unspektakulär. Das Wetter war wieder auf unserer Seite, die Stimmung gut. Direkt am Joch folgten wir einem Waldweg-Abzweig, an dem ein Schild angebracht wurde, dass der Weg wegen Waldarbeiten gesperrt war. Nach meinen Erfahrungswerten konnte man diese Schilder zu 90% ignorieren, da die Waldarbeiten entweder längst abgeschlossen, noch nicht begonnen oder nie zur Durchführung kommen würden. In diesem Fall waren die Arbeiten tatsächlich noch nicht begonnen worden, dafür lagen zunehmend riesige ungeknickte Fichten quer über dem Weg. Anfangs kletterten wir noch über die umgestürzten Bäume mit den Bikes auf den Schultern.

Dann jedoch wurde der Zustand immer schlimmer, bis am Ende gar kein Durchkommen mehr war. Sich den ganzen Weg wieder zurück durchzukämpfen war auch keine verlockende Option, weshalb wir uns entschieden, den Weg zu verlassen und uns durchs Unterholz zu schlagen, um eine Forststraße unterhalb zu erreichen. Das war zwar ziemlich anstrengend, gelang aber recht gut und wir kamen schließlich mit Fichtennadeln übersät an der Forststraße heraus, die uns zur Absam Alm führte. Wir fuhren weiter ab, bis der Weg schließlich auf eine der Serpentinen der Bundesstraße SS620 mündete. Diese sollte uns wieder zum ursprünglichen Ziel des verschütteten Wanderwegs bringen, dem Passo di Lavazé.

Bis dahin galt es jedoch, etwa 300 Hm bergauf zu überwinden, wobei wir nicht nur von einer Menge stinkender Autos überholt wurden, sondern von insgesamt mindestens hundert Motorradfahrern, welche die komplette Umgebung im Umkreis von mehreren Kilometern mit brüllendem Lärm verschmutzten. Bei der Auffahrt sahen wir, dass in der Gegend riesige Waldflächen wie Streichhölzer umgeknickt waren. Wie spätere Recherchen ergaben, hatte ein Unwetter kurz vorher die starken Verwüstungen angerichtet.

Abgase und Höllenlärm machten uns die Auffahrt zur Qual und wir waren mehr als erleichtert, als wir den Pass erreichten und auf die wenig befahrene Nebenstraße abzweigen konnten.

Über knapp 4 km stieg die Straße weiter an bis zum Passo Oclini auf 1990 m. Darauf folgte eine wirklich schöne Abfahrt, die größtenteils auf Waldwegen über steiles Gelände, Wurzeln und teilweise engen Spitzkehren bergab führte. Dabei zeigte sich, dass ich das Versetzen des Hinterrades noch viel mehr üben sollte.

Am Ende heizten wir noch über einen interessanten, aber nicht allzu anspruchsvollen Waldweg weiter hinab.

Wir kamen bei Redagno vorbei und stießen schließlich in Kaltenbrunn (auf 1000 m Höhe) auf die alte Bahntrasse, die uns bis hinab ins Etschtal bringen sollte.

Die ursprüngliche Bahnstrecke führte von Auer im Etschtal über die Berge ins Fleimstal. Sie wurde zwischen 1916 und 1918 als Nachschubweg für den Dolomitenkrieg erbaut. Nachdem die Bahn in den ersten 10 Jahren hauptsächlich für Holztransporte genutzt wurde, fuhren ab 1927 nur noch 3 Züge am Tag in jede Richtung zum Zwecke des Personentransports. Seitdem war die Bahn höchst defizitär, auch eine spätere Elektrifizierung und die damit verbundere kürzere Fahrdauer und Erhöhung des Taktes konnte die Bahn nicht retten. Nach jahrelangen Subventionen durch den Staat wurde die Fleimstalbahn schließlich im Jahr 1963 wieder stillgelegt. Mit ihren Tunneln, Viadukten und Brücken ist die Strecke heute eine beliebte Route für Fahrradtouren in Südtirol.

Auch wenn die Abfahrt technisch völlig anspruchslos war, machte sie eine Menge Spaß. Mit ca. 35 km rollten wir ohne zu treten bei einem Gefälle von etwa 40 Promille flott durch die Wälder, entlang gemauerter Berghänge, über Brücken und durch verlassene Eisenbahntunnel.

Bei Gleno di Sotto auf 500 m Höhe macht die Bahnstrecke eine große Schleife. Hier verließen wir den Radweg, unterquerten ein Viadukt und stießen so noch auf eine heiße technische Trailabfahrt bis nach Neumarkt.

Es folgten 20 monotone Kilometer entlang des Etschtal-Radweges. Bei Gegenwind, niederbrennender Sonne und mit schmerzendem Hintern kämpften wir uns vorwärts, bis wir endlich in Grumino ankamen.

Vor allem durch die unvorhergesehene Planänderung aufgrund gesperrter Wege war der Tag anstrengender gewesen, als erwartet. Nachdem wir uns im Supermarkt mit Erfrischungsgetränken und Keksen versorgt hatten, fanden wir nach einer 30-minütigen Suche ein bezahlbares Hotel mit einer guten Pizzeria nebenan.

Nach einer ausgedehnten Sitzung im Whirlpool und unter der Dusche waren wir bereit für’s Abendessen. Mittlerweile war ein dunkles Gewitter aufgezogen und entleerte sich heftig im Etschtal. War uns gleich, wir hatten ja bereits ein Dach über dem Kopf.

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