Alpencross 2018 Tag 6

Etappe 6: Weissensee – Greifenburg – Lienz – Vierschach – Monte Elmo – Moos (Sexten)
Länge: 20 km
Gesamtanstieg: 200 Hm
Gesamtabstieg: 1250 Hm


Nach den Wellness-Exzessen vom Vorabend hatten wir vortrefflich geschlafen und waren bereit für’s Frühstück. Und das riesige Buffet ließ in der Tat keine Wünsche offen. Da wir dieses ausgiebig genießen wollten und uns außerdem eine ausgedehnte Bahnfahrt bevorstand, beschränkten wir die heutige Etappe. Ziel war also Moos bei Sexten, da die Berghütten oberhalb von Moos (Rifugio Fondo Valle, Rifugio Zsigmondy, Büllejoch Hütte) alle restlos ausgebucht waren und für eine noch längere Etappe die Zeit nicht ausreichen würde. Raum für Flexibilität hatten wir ja genug, was übrigens ein sehr gutes Gefühl ist.

Nach dem sechsten oder siebten Gang (am Buffet, nicht am Bike) zahlten wir die verhältnismäßig hohe aber angemessene Hotelrechnung ohne Reue, holten die Bikes aus dem Fahrradraum und rollten davon (in beiderlei Wortsinn). Wie immer wollten wir die Bundesstraße vermeiden und ich hatte alternative Wege für die Abfahrt nach Greifenburg herausgesucht. Das funktionierte soweit auch ganz gut, obwohl ich bei einer rasanten Karrenwegabfahrt einen dünnen Stromzaun übersehen, diesen durchfahren hatte und dabei mit 10.000 Volt vom Bike gezappt wurde. Das Bizzeln hielt noch eine zeitlang an, aber ich konnte die Abfahrt unbeschadet fortsetzen.

Dann ging es auf einer Forststraße weiter bergab. Hier konnten wir den auf der Karte verzeichneten Wegabzweig nicht finden, also folgten wir der Schotterstraße weiter, bis diese in einem ausgetrockneten Bachbett endete. Nach kurzer Überlegung bikten wir freeridemäßig im Bachbett weiter hinunter, da dieses genau auf der Straße münden musste, die wir uns zum Ziel gesetzt hatten. Doch irgendetwas war komisch und ich legte eine Vollbremsung hin. Genau rechtzeitig, denn zehn Meter weiter ging es 15 Meter tief senkrecht einen Wasserfall hinab. Ein Drop aus dieser Höhe hätte ganz sicher ungesunde Folgen. Aufgrund der Steilheit und des starken Hangbewuchses hatten wir keine Chance, seitlich vom Wasserfall hinunterzuklettern. Uns blieb also nichts anderes übrig, als die ganze Forststraße wieder raufzufahren und doch auf die Bundesstraße auszuweichen.

So ist es im Leben: Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Für die „kurze Abfahrt“ nach Greifenburg hatten wir insgesamt mehr als zwei Stunden verbraten. Ein Glück, dass wir heute einen entspannten Zeitplan hatten! Das kam mir außerdem entgegen, da ich mich heute nicht ganz fit fühlte. Irgendwie ausgelaugt, schlapp und etwas niedergeschlagen, aber ich wusste nicht weshalb. An meinem Trainings- bzw. Belastungszustand konnte es jedenfalls nicht liegen.

Die Regionalbahn brachte uns mit einmal Umsteigen in Lienz unkompliziert bis nach Vierschach. Viele Touristen leihen sich hier Bikes, fahren den Radweg an der Drau runter und mit der Bahn wieder zurück. Das scheint ein beliebtes Freizeitangebot zu sein, denn es wurde umfangreich von der Bahn beworben und von Radfahrern genutzt.

Nach Überquerung der Grenze von Kärnten nach Italien sahen wir die für diese Region typischen Felsformationen schon aus dem Zugfenster. Als wir in Vierschach ausstiegen, waren wir endlich am Nordrand der Dolomiten angekommen! Ab morgen würden wir durch eine Bergwelt mit ganz anderem Charakter biken und wir freuten uns schon sehr darauf.

Auch bei der Vierschach Bergbahn war die Fahrradmitnahme kein Problem. Ungefähr 900 Höhenmeter konnten wir so gut machen. Als wir oben auf dem Monte Elmo („Helm“, 2040 m) standen, hatten wir einen sagenhaften Blick auf das Drei-Zinnen-Gebirge. Dolomiten, wir kommen! Den Ausblick genossen auch zahlreiche Touristen und ein paar E-Biker, die sich hier oben tummelten. Einen steilen Anstieg von 60 Hm mussten wir uns noch aus eigener Kraft erkämpfen, dann standen wir am Wegabzweig auf 2100 m Höhe. Hier würden wir wieder einmal dem Touristenrummel den Rücken kehren und einen voraussichtlich ziemlich coolen Singletrail ins Visier nehmen.

Schutzausrüstung anlegen und los geht’s! Was für ein Spaß! Dieser endete jedoch abrupt nach nur 50 Metern, als ich auf einem relativ flachen einfachen Wegstück aus Gründen, die mir bis heute ein Rätsel sind, über den Lenker abstieg. Für mich untypisch landete ich auf dem Knie, und das noch dazu auf dem einzigen Stein, der weit und breit aus dem Boden ragte.

Der einschießende Schmerz sagte mir gleich, dass das nicht gut war. Ich hatte das Gefühl, dass nichts gebrochen oder gerissen war, aber verdammt, das war nicht gut! Aus der tiefen Aufschürfung schoss das Blut und Ralph half mir gleich mit der Desinfektion.

Ich brauchte gut eine Viertelstunde, bis ich die Schmerzen einigermaßen unter Kontrolle hatte und mir eine Weiterfahrt zutraute. Ich versuchte das linke Knie zu entlasten, so funktionierte es einigermaßen. Das Blut floss inzwischen kaum mehr, doch mein Knie sah aus, als hätte sich ein Metzger daran zu schaffen gemacht.

Auch wenn ich die Abfahrt nicht mehr genießen konnte, war der Trail doch ziemlich cool. Anfangs ziemlich steil und rutschig, ging er später in einen interessanten Waldweg über, der bis zum Negerdorf (das heißt wirklich so!) führte. Dunkelhäutige sahen wir jedoch dort nicht, keine Ahnung woher der kleine Weiler seinen lustigen politisch unkorrekten Namen hat.

Wir folgten einem Waldtrail weiter talwärts. Bei der Heimhanghütte lichtete sich der Wald und man konnte auf Moos hinunterschauen, gegenüber die gewaltigen Berge der Drei Zinnen.

Auf dem Helmweg radelten wir weiter nach unten, am Schluss lockerten dann noch ein paar Treppen und Stufen die Abfahrt ab. Endlich standen wir unten in Moos.

Das Knie… es fühlte sich nicht gut an! Ich war jedoch überzeugt, dass es sich nur um eine starke Prellung handelte und wollte die Hoffnung nicht ganz aufgeben, dass es morgen schon wieder besser sein könnte. Also machten wir uns auf die Suche nach einer bezahlbaren Unterkunft. Dies war schwerer als gedacht. Die Preise waren durchwegs völlig überteuert, außerdem war alles ausgebucht. Mit etwas Glück fanden wir ein recht günstiges B&B-Hotel, in dem wir noch ein Zimmer mit Blick auf die Dolomiten bekamen. Es war an der Zeit zu duschen, die Wunde gründlich zu waschen und danach noch einmal zu desinfizieren.

Wir waren noch Pizza essen und als wir zurück zum Hotel gingen (bzw. ich humpelte), dämmerte es mir, dass es ziemlich ausgeschlossen war, morgen die Drei Zinnen hochzufahren. Geschweige denn in den nächsten Tagen. Dies war ein sehr frustrierender und enttäuschender Moment für mich! Noch nie zuvor musste ich einen Alpencross abbrechen. Und genau jetzt, direkt vor dem Tour-Highlight Dolomiten musste uns das Schicksal einen Strich durch die Rechnung machen. Außerdem hatte zusätzlich mein Reisepartner Ralph unter der Sache zu leiden, denn alleine weiterfahren wollte er auch nicht.

Dass der Unfall dann noch auf einem Weg passiert war, den man mit einem Einkaufsrad hätte runterrollen können, stimmte mich auch nicht gerade freudig.  Das alles war einfach nur riesiges verdammtes Pech! Murphy’s Law.

Ralph und ich besprachen uns und es stand schnell fest, dass wir morgen die Heimreise antreten würden. Nun galt es, die ganzen Verbindungen zu recherchieren und möglichst unkompliziert nach München zurück zu kommen. An dieser Stelle geht noch einmal ein besonderer Dank an Ralph, der nicht nur flexibel und unkompliziert auf diese abrupte Planänderung reagiert hat, sondern immer nach Kräften geholfen und unterstützt hat! Das ist Freundschaft.

Hiermit endete also unser Freeride-Alpencross vorzeitig. Keine Dolomiten-Trails, kein Gardasee-Finish. Doch wir waren uns völlig einig, dass wir diesen Alpencross noch weiter führen und zu Ende bringen würden, spätestens im nächsten Jahr. Der Reisebericht wird dann an dieser Stelle fortgesetzt.

Der Zustand meines Knies hatte sich am Folgetag verschlechtert. Eine Belastung war nun kaum noch möglich, die Bewegung stark eingeschränkt. Die Heimfahrt zog sich erwartungsgemäß hin, da wir natürlich ohne Fahrrad-Reservierung die Direktverbindung mit dem EuroCity nicht nutzen konnten. Dennoch hatten wir bei den Anschlüssen großes Glück, sodass wir dann doch verhältnismäßig flott bis nach München kamen.

Zuhause kam noch ein Infekt hinzu, den ich mir unterwegs eingefangen hatte. Schon am Abend hatte ich 39 °C Fieber und fühlte mich miserabel. Der grippale Infekt dauerte 3 Tage lang, dann war er überwunden. Das war schließlich auch die Erklärung für meinen schlechten Zustand am Tag 6. Selbst ohne Knieverletzung hätten wir also abbrechen müssen. Ein schwacher Trost…

[Fortsetzung des Freeride-Alpencross]

2 Antworten

  1. THe Raschis sagt:

    Hallo „Gletschersau“,
    deine Touren sind sehr inspirierend. Alle deine Touren haben wir die letzten 5 Jahre immer wieder gekreuzt.
    Ist es möglich eure Tracks als gpx file zu erhalten, um entweder nachzufahren oder leichte Modifizierungen vor zunehmen?

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