Alpencross 2010 Tag 6

Etappe 6: Dimaro – Madonna di Campiglio – Tione – Passo di Rango – Tiarno
Länge: 78 km
Steigung: 2530 Hm


Nach einer überraschenderweise stechmückenfreien Nacht, in der ich übrigens herrlich geschlafen hatte, ging es früh um 5 Uhr weiter. Mein Schuh war immer noch klatschnass. Meine anderen Sachen waren nun auch noch ziemlich klamm wegen der hohen Luftfeuchtigkeit in der Nacht. Aber was hilft es? Also rein in die feuchten Klamotten und den matschig-nassen Schuh. Irgendwo würde ich die Sachen dann später in der Sonne trocknen.

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Nach 5 Kilometern merkst Du die nassen Sachen gar nicht mehr. Wirklich!
Der Brenta Bike Trail ist sehr gut ausgeschildert und führt über romantische Waldwege kontinuierlich bergauf bis C.C. Magno, kurz vor Madonna di Campiglio. Ich war nun im Bärengebiet unterwegs! Begegnungen mit diesen netten Tierchen blieben mir aber erspart. Erst bei C.C. Magno verließ der Weg den Wald und das Tal und ich kam mit der Sonne in Berührung. Ich nutzte die Gelegenheit um auf der Almwiese eine ausgedehnte Pause zu machen, und breitete alle meine Sachen fein säuberlich im Gras zum Trocknen aus. Es war mal wieder Zeit für ein Müsliriegel-Frühstück. Tatsächlich war meine Ausrüstung inklusive Schuh nach einer knappen Stunde getrocknet, und ich konnte weiterfahren nach Madonna di Campiglio.

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Madonna di Campiglio – der Name klingt so schön italienisch romantisch. Es handelt sich jedoch um einen reinen Touristenort voller Hotels, Autos und moderner Gondelbahnen. Nichts wie weg hier! Ich durchquerte den Ort entlang der Nebenstraße, die östlich parallel zur Hauptstraße verläuft. Etwa 150 Meter nach dem Ende der Via Mandron zweigt rechts ein Wanderweg in den Wald ab. Diesen sollte man nicht verpassen, denn er führt über einen flowigen S1 bis S2 Waldtrail bergab. Irgendwann mündet dieser auf einen Weg, dem man rechts weiter bergab folgt. Man erreicht bald ein schmales Sträßchen, das hoch nach S. Antonio di Mavignola führt. Dort, direkt an der Hauptstraße in S. Antonio ist ein großer Infoshop, der über die Brenta und ihre Trails informiert. Gleich danach geht es wieder links über den Brenta Bike Trail auf steilen Asphaltserpentinen bis hinunter zum Fluss. Doch vorher besorgte ich mir noch in einem Supermarkt eine große Wildschweinsalami.

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Schon bald erreichte ich Carisolo und radelte über Pinzolo ins Val delle Chiese, das Tal der Kirchen. Dort führt der gut ausgebaute Radweg immer leicht bergab entlang dem Sarca-Fluss nach Caderzone, Redena und schließlich Tione die Trento. Insgesamt ist der Dolomiti di Brenta Bike Radweg wohl eher etwas für Tourenradler. Ich würde heute den Mangel an Steigung und Fahrtechnik durch Distanz ausgleichen. Mit 78 km würde dies meine längste Alpencrossetappe werden.

In Tione erinnerte mich mein knurrender Magen daran, dass ich wieder mal vergessen hatte, dass in Italien sämtliche Supermärkte und Restaurants zwischen 11:00 und 16:30 geschlossen haben. Verdammt! Glücklicherweise hatte ich ja noch die Wildschweinsalami, die jetzt größtenteils daran glauben musste. Hier sollte man unbedingt den kleinen Umweg über Zuclo und Bolbeno in Kauf nehmen, da man sonst der Bundesstraße 237 mit ihrem Verkehr und den LKW-Rasern würde folgen müssen. So kann man der Gefahr zumindest bis Bondo entgehen. Danach kann man sich immer wieder Wege abseits der Straße suchen, was bis Pieve di Bono auch ganz gut klappt. Kurz hinter Pieve die Bono gibt es dann wieder einen Radweg.

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Noch vor Cimégo, direkt beim Stausee, zweigt links ein kleines Sträßchen ab und windet sich steil bergwärts. Dies ist der Weg zum Passo di Rango, der bisher nur selten von Alpencrossern befahren wurde. Kein Wunder, denn die Auffahrt zieht sich auf dem langweiligen verlassenen Asphaltsträßchen wie Kaugummi. Mein leerer Magen und die schwindenden Wasservorräte machten die Sache nicht angenehmer. Leider sind in Italien die Trinkwasserbrunnen und Quellen sehr dünn gesät, was den von Österreich und Südtirol verwöhnten Biker schon mal in die Bredouille bringen kann. Mit fünf Schluck Wasser im Wassersack und einem kleinen Rest Wildschweinsalami als Notreserve bin ich also der Ungewissheit entgegenpedaliert. Als ich eine entgegenkommende Autofahrerin auf Italienisch nach dem Passo di Rango fragte, sprudelte mir ein Redeschwall entgegen, dem ich entnahm dass sie den Pass für unpassierbar hielt. Das verbesserte nicht gerade meine Stimmung, aber Umkehren war sicher auch keine Lösung. Irgendwie wollte ich ja morgen den Gardasee erreichen, und dieser Berg hier stand im Weg.

Weit oben traf ich dann auf ein paar Bauernhäuser, wo ich den erstbesten Anwohner nochmal nach dem Weg und nach Wasser fragte. Ein rettender Brunnen nahm mir schonmal eine Sorge. Detailliert bekam ich dann auch noch den Weg zum Passo di Rango auf Italienisch geschildert: „Nach dem Brunnen geradeaus, dann durch die Senke, dann links auf die Schotterstraße, dann gleich wieder links, hinauf bis zur Wegekreuzung…“ und den Rest habe ich nicht mehr verstanden. Direkt beim Brunnen führte zwar ein schmaler steiler Pfad hoch zum Passo di Rango, den ich aber ignorierte, da er nicht fahrbar war. (Hmmm… Moment mal. Das hatte mich bisher doch auch nicht aufgehalten?) Stattdessen vertraute ich mehr auf die Beschreibung des Bauern, und tatsächlich habe ich besagte Wege gefunden, auch wenn diese allmählich immer mehr von hohem Unkraut zugewuchert waren. Hier ist wohl länger niemand mehr vorbeigekommen.

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Da! Das Wegekreuz! Sogar mit Schildern! Wenn ich den Bauern richtig verstanden hatte, dann müsste hier eigentlich Tiarno die Sopra ausgeschildert sein. War es aber nicht. Stattdessen wies das eine Schild nach Rango (also wieder zurück nach unten), das andere zum Passo di Giovo, Bocca di Guimella und Pozza di Cadria. Mit Pozza di Cadria konnte ich gar nichts anfangen, das war auf meiner Karte nicht zu finden. Passo di Giovo und Bocca di Guimella waren noch höhere Pässe in nördlicher Richtung, wohin ich ganz sicher nicht wollte. Ich wollte nach Osten, hinunter ins Tal, und hierfür gab es weder Schild noch Weg. Etwa zwei Stunden suchte ich die nähere Umgebung ab, fuhr hin und her, rauf und runter, ohne den Weg zu finden, der mich hinunter nach Tiarno hätte bringen sollen. Aussicht hatte man hier gar keine, da alles von hohem Wald bewachsen war. Alles wieder zurückfahren? Niemals! Doch die Sonne stand schon tief, und ich hatte keine große Lust darauf, hier oben die Nacht zu verbringen.

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Auf gut Glück bin ich also erstmal dem schmalen Pfad in Richtung Passo di Giovo gefolgt. Der führte leicht bergab und dann plötzlich steil bergauf. Hmmm… laut Karte müsste eigentlich 100 Höhenmeter unter mir ein Weg nach Tiarno sein. Kurzentschlossen verließ ich den Pfad und pflügte eine vom Regenwasser ausgewasche Rinne hinunter durchs steile Unterholz. Und tatsächlich! Nach kurzer Zeit sah ich durch die Bäume den rettenden weißen Kiesweg schimmern. Eureka! Dort angekommen, folgte ich dem Weg nach rechts, der erst auf Schotter und später auf Asphalt steil hinunter bis Tiarno di Sopra führte. Völlig am Ende quartierte ich mich in der nächstbesten Albergo ein. Dort gönnte ich mir erstmal einen Riesenteller Spaghetti und Caprese im Restaurant.

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