Alpencross 2010 Tag 1

Etappe 1: Füssen – Plansee – Heiterwang – Lermoos – Ehrwald – Fernstein
Länge: 63 km
Steigung: 1560 Hm


Mitte Juli 2010, München: Die Würfel sind gefallen! Einen Tag zuvor hatte ich mich endgültig entschieden, endlich aufzubrechen. Das Bergwetter für die nächsten drei Tage würde perfekt sein. Die Solo-Transalp 2010 konnte beginnen! Durch einen angebrochenen Zeh und einen Muskelfaserriss im Wadel war meine Vorbereitung nicht ganz nach Plan verlaufen. Aber Motivation und Abenteuerlust würden meinen Trainingsrückstand hoffentlich etwas ausgleichen.

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Gegen 9:00 Uhr morgens bin ich mit dem Regionalexpress in Füssen eingetroffen. Ich war schon um 5:30 Uhr mit dem Bike zum Münchner Hauptbahnhof aufgebrochen, da ich den ersten Transalp-Tag früh beginnen wollte. Wie sich später herausstellen sollte, eine kluge Entscheidung. Erfüllt mit einer unbeschreiblichen Vorfreude auf das bevorstehende Abenteuer schaltete ich mein Navi ein, stieg auf und radelte los. Kaum war ich am Ortsrand von Füssen angekommen, strahlte mir das märchenhafte Schloss Neuschwanstein entgegen. Ich bin zwar gebürtiger Bayer, hatte aber noch nie zuvor dieses berühmte Schloss live gesehen. Insofern war der Startpunkt meines Alpencross perfekt gewählt.

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Statt die Straße bergauf zu radeln, entschied ich mich für den Weg durch die Pöllatschlucht. Bereits am Morgen waren schon vereinzelt Autos und Touristenbusse unterwegs, und ich wollte den Verkehr auf dieser Reise so gut wie möglich vermeiden. Dafür durfte ich das Bike durch die sehr malerische Schlucht all die Treppen nach oben tragen, was mir ein paar überraschte Blicke einer handvoll italienischer Touristen einbrachte. Das Schild „Alpine Erfahrung erforderlich“ am Wegbeginn kostete mich nur ein Grinsen. Es war jedenfalls für die Massen an Touristen gedacht, die zu späterer Stunde hier eintreffen würden.

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Kurz nach der Marienbrücke, die für Radfahrer gesperrt ist (was aber auch nichts ausmacht, weil man nur daran vorbeifährt), erreicht man den Aussichtspunkt, der einen tollen Blick auf den Alpsee und das Schloss Hohenschwangau eröffnet. Kurz genoss ich in Gesellschaft weniger Touristen diesen Ausblick, bevor ich wieder in den Sattel stieg und weiter bergwärts fuhr. Ich war schließlich nicht zum Sightseeing hier, sondern hatte noch ein paar Höhenmeter zu bewältigen.

Von hier aus ging es mitunter sehr steil auf einer asphaltierten Straße aufwärts. Kurz vor der Bleckenau ging die Straße in einen Schotterweg über. Teilweise war der Weg so steil, dass ich schieben musste. Ich wollte ja nicht schon auf den ersten fünf Kilometern mein ganzes Pulver verschießen. Dann ging es auf gut fahrbarer Piste entlang des Pöllatbaches weiter durch die schönen Ammergauer Alpen bis zur bewirtschafteten Jägerhütte. Die habe ich aber links liegen lassen und bin gleich weitergefahren, in freudiger Erwartung auf den nun folgenden Trail talwärts.

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Der Schützensteig ist ein etwa 2 km langer Singletrail, der kurz nach der Jägerhütte beginnt und auf die Straße mündet, die zum Plansee hinunter führt. Der Singletrail ist steinig und mit Wurzeln durchsetzt, aber auf S2-Niveau durchgängig problemlos fahrbar. Dieser flowige Spaß-Trail war der perfekte Auftakt für meine Trail-Transalp! Schon bald erreicht man die asphaltierte Straße zum Plansee, deren obere Hälfte sich gut vermeiden lässt, indem man kurz vorher am Ende des Schütztensteigs rechts auf den Schotterweg abzweigt, der parallel zur Straße ins Tal führt. Nach rasanter Abfahrt auf den letzten zwei unvermeidbaren Asphaltkilometern erreichte ich glücklich den blaugrün leuchtenden Plansee.

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Man kann den See auf der Nord- und auf der Südseite umfahren. Ich habe mich für die Südseite entschieden. Dort windet sich ein schmaler Pfad am Ufer entlang und fordert regelrecht dazu auf, die Salzkruste, die der Schweiß auf der Haut hinterlassen hat, bei einem Bad wieder abzuwaschen. An einer abgelegenen Stelle habe ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Hemd aus, Hose runter und ab in das kühle Nass! Kann es einen besseren Alpencross-Auftakt geben? Wohl kaum! Nach einer 20-minütigen Pause überredeten mich ein paar stechwütige Insekten zum Weiterfahren. Der Weg am See lässt sich mit kleinen Unterbrechungen bequem fahren, nur an zwei Stellen musste ich das Bike kurz über ein Geröllfeld schieben und einmal ein paar Stufen hochtragen. Auf Wanderer, die man hier immer wieder antrifft, sollte man natürlich unbedingt Rücksicht nehmen.

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Am Ende des Plansees wird aus dem Pfad wieder ein breiter Schotterweg. Diesem folgt man entlang dem Heiterwanger See und zweigt dann links auf die Via Claudia Augusta ab (dort auch Zugspitz-Panoramaweg genannt). Dieser sehr schöne Schotterweg führt abseits des Verkehrs, durchsetzt von leichten Steigungen und Gefällen, von Heiterwang über Bichlbach bis Lermoos. Bei Lermoos hat man einen perfekten Blick auf das beeindruckende Massiv der Zugspitze.

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Auf dem Panoramaweg erreicht man Ehrwald und zweigt dann in einen malerischen Lärchenwald ab, dessen riesige Bäume auf grünem moosbewachsenen Boden kerzengerade in den Himmel ragen. Nach etwa fünf Kilometern passiert man den Weißensee. Auch hier hätte ich gerne ein Bad genommen, doch die so genannten Tabanidae – im Volksmund auch als Bremsen bekannt – legten mit Nachdruck Widerspruch ein, so dass ich den Gedanken schnell wieder zu den Akten legte. Diese Biester haben mich schon seit dem Plansee gequält, aber hier schienen sie sich besonders wohl zu fühlen.

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Vom Weißensee aus geht es etwa 200 Höhenmeter hinauf Richtung Nassereither Alm. Diese Alm ist jedoch nicht mein Ziel, denn auf halber Strecke zweigt die Via Claudia Augusta rechts ab in Richtung Fernpass. Ich war zu diesem Zeitpunkt, nach knapp 60 km, bereits ziemlich erschöpft und beschloss eine längere Pause einzulegen. Von oben konnte ich den Blindsee sehen, zusammen mit dem Fernsteinsee ein beliebtes Binnengewässer-Tauchrevier. Nachdem ich mich wieder einigermaßen frisch fühlte, rollte ich auf der Schotterstraße ab. Naja, „hinunterbrettern“ würde es wohl besser treffen… Nach knapp 2 km Downhill erreicht man die Bundesstraße, der man nur 100 m aufwärts folgt und dann links auf einen versteckten Singletrail nach Fernstein abzweigt. Diesen Singletrail sollte man unbedingt wählen, und nicht etwa die stark befahrene Bundesstraße bergab. Der Trail war leider aufgrund eines Steinschlages gesperrt, doch ich ignorierte das Schild und folgte dem Trail wie geplant. Nach einem kurzen Holzsteg geht es auf einem steinigen, mäßig steilen Pfad auf S1-bis S2-Niveau durch den Wald hinunter. Fahrspaß pur!

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Auf besagtem Singletrail ist mir leider irgendwo das Navi aus der Lenkerhalterung gesprungen, was ich unten in Fernstein erst bemerkt habe. Hier hat sich gezeigt, dass die Standard-Lenkerhalterung von Garmin einfach nichts taugt. Also habe ich den ganzen Weg zurück bis zum Holzsteg (bei dem ich das Navi noch hatte) wieder hochgeschoben und abgesucht, jedoch ohne Erfolg! Das Teil ist wohl irgendwo bei meiner rasanten Fahrt in die Schlucht abgegangen. Die vergebliche Hochschieberei hat nicht nur eine Menge Energie gekostet, sondern auch ein großes Frustgefühl ausgelöst.

Im Restaurant am Campingplatz Fernsteinsee habe ich mir eine Pizza bestellt. Während ich versuchte, das trockene Teil unter Zuhilfenahme einer Apfelsaftschorle runterzuwürgen, habe ich frustriert über den weiteren Verlauf meiner Reise gegrübelt. Schließlich packte ich wieder meinen Rucksack, stieg auf mein Bike und radelte, das letzte Viertel meiner Fertigpizza zurücklassend, ins Tegestal. Dort habe ich mir ein entlegenes Plätzchen gesucht, bin erschöpft in meinen Schlafsack gefallen und habe den Sternen beim Aufgehen zugesehen. War mein Abenteuer Alpencross nun zu Ende? Hatte ich überhaupt eine Chance, ohne Navi meiner gelpanten Route zu folgen? Wochenlang hatte ich penibel die Tracks für das Navi ausgetüftelt und die besten Pfade gesucht – alles umsonst!!!

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