Alpencross 2017 Tag 2

Etappe 2: Lermoos – Grubigstein – Fernstein – Imst – Zams – Krahberg – Pfunds
Länge: 81 km
Gesamtanstieg: 1150 Hm
Gesamtabstieg: 3100 Hm


Wir hatten herrlich geschlafen und nahmen bereits um 7:00 Uhr das Frühstück ein, da für heute eine Etappe mit zwei Seilbahnfahrten und einer großen Distanz geplant war. Ich konnte nur schwer einschätzen, wie lange man dafür brauchen würde, aber ich rechnete mit rund 10 Stunden inklusive Pausen. 81 km klingen viel, und auch 1150 Hm Anstieg (netto, also abzüglich der Seilbahnen) ist durchaus eine Ansage. Jedoch würden wir einen großen Teil der Strecke durch Bergabfahren zurücklegen, die Sache schien mir also machbar. Anstrengend würde es allemal werden. Die 5 km nach Lermoos hatten wir schnell hinter uns gebracht, sogar eine kleine Trailabfahrt war noch mit dabei.

Kurz nach Öffnung der Seilbahn um 8:30 erreichten wir die Talstation in Lermoos. Ich kaufte die Tickets bis hoch auf den Grubigstein (das sind die Seilbahnen Grubig I und Grubig II) und mit einmal Umsteigen überwanden wir auf diese Weise mühelos 1000 Höhenmeter.

Wir standen plötzlich auf 2000 m Höhe und die Aussicht auf die umliegenden Berge, die Zugspitze, das Wettersteingebirge und die Mieminger Kette war beeindruckend. Dann galt es den Einstieg zum Blindseetrail zu finden, zu dem eine Forststraße hinunterführte.

Lermoos ist ein Beispiel dafür, dass die Region endlich die Zeichen der Zeit erkannt hat und Mountainbiker Willkommen heißt. Man hat am Grubigstein einige Trails für Mountainbiker angelegt und den ersten fanden wir durch Zufall (weil er auf den Karten noch nicht eingezeichnet war). Ein sehr gut angelegter, technischer aber nicht schwierig zu fahrender Naturtrail schlängelt sich unterhalb des Gipfels des Grubigstein durch den Wald hinunter bis zur Grubigalm. Man kommt praktisch direkt beim Einstieg zum Blindseetrail heraus.

Voller Vorfreude bogen wir auf den Wanderweg ein und nach einem 80 Höhenmeter Anstieg ging es endlich wieder bergab. Ich hatte mir den Blindseetrail als Alternative zur Via Claudia Augusta überlegt, die im Tal entlangführt und den Fernpass überquert. Wir waren nun 550 Meter oberhalb des Fernpasses. Das bedeutete 550 Hm geniale Trailabfahrt mehr, anstatt langweilige Radwege.

Der Blindseetrail ist sicher nichts für Anfänger. An vielen Stellen ist der Weg zwar flowig und sehr schön zu fahren, aber es sind auch etliche steile, felsige und rutschige Abschnitte dabei. Wir beide hatten viel Freude auf dem Singletrail und mein Sohn hatte mit dem Gelände keine Schwierigkeiten. Der Weg fordert jedoch einiges an Konzentration, die unterwegs nur durch wiederkehrende herrliche Ausblicke ins Tal unterbrochen wird.

Auf etwa 1400 m Höhe wird der Weg dann für ein Stück ausgesetzt. Hier sollte man gut aufpassen und bei Unsicherheit lieber schieben, da ein Absturz fatal enden würde.

Die Aussicht auf den Blindsee ist von hier oben immer wieder fantastisch. Der See hat seinen Namen daher, dass er keinen Oberflächenabfluss besitzt. Durch sein ungewöhnlich klares Wasser und den Fischreichtum ist er ein sehr beliebtes Tauchrevier.

Auf einer Höhe von 1250 Metern endet der Trail auf der Fernpassstraße. Diese ist zwar stark befahren, aber man muss sich dem Verkehr nur für 500 Meter aussetzen und kann dann auf eine Forststraße abzweigen, die schließlich in den Fernpasstrail mündet.

Der Fernpasstrail war früher einmal etwas felsiger, wurde aber von der Gemeinde leider begradigt, wahrscheinlich um den vielen Reiseradlern auf der Via Claudia Augusta einen Gefallen zu tun. Nun kann man den Trail auch mit einem Einkaufrad hinunterfahren und erlebt Fahrspaß nurmehr durch die Eröhung der Geschwindigkeit. Doch man muss nicht immer technisch schwierige Strecken fahren um sich zu amüsieren. Wir genossen die Abfahrt bis zum Schloss Fernstein mit Vollgas.

Ab hier wichen wir bis zum Ortsende von Nassereith von der Via Claudia Augusta ab, da diese größtenteils an der Straße langführt und meine Variante viel schöner ist. Meine Streckenplanung brachte uns zunächst durchs romantische Tegestal, durch Wendelin, dann an einem Bach entlang an Nassereith vorbei. Erst dann fuhren wir wieder auf dem bekannten Fernradweg weiter, der sich durch das Gurgltal durch den Wald bis Imst zieht.

In Imst biegt der Radweg rechts ab und man fährt eine zeitlang parallel zur Inntal-Autobahn am Inn entlang flussaufwärts. Dann wich ich wieder für ein Stück vom Radweg ab und wählte eine ruhigere Strecke bis Mils.

Die Fahrerei auf dem Radweg zog sich wieder einmal in die Länge und zehrte an den Kräften des Teenagers, der es nicht gewohnt war, abzuschalten und solche Wegabschnitte einfach zügig und stoisch runterzuspulen. Dazu kam, dass sein Sitzfleisch noch nicht die Abhärtung eines Erwachsenen aufwies und das viele Geradeausfahren etwas unangenehm wurde. Dann kamen noch ein paar nervige Gegenanstiege, die das Tempo und den Schwung raubten. Doch ein Alpencross ist eben nicht nur Zuckerschlecken und manchmal muss man eben die Zähne zusammenbeißen. Und obwohl ich wusste, dass ihm dieser Streckenabschnitt unangenehm war, hat er nicht gejammert, nicht gemeckert, sondern durchgehalten und ist weitergefahren. Davor habe ich großen Respekt. Ich denke wenn man einen Alpencross mit einem Minderjährigen fährt ist es besonders wichtig, dass das Kind schon eine gewisse mentale Reife und Stärke besitzt.

Doch irgendwann war es schließlich geschafft, wir erreichten Zams und die Talstation der Venet-Seilbahn. Bis wenige Wochen vor der Abreise war mir noch nicht klar gewesen, ob die Seilbahn überhaupt Fahrräder mitnimmt. Die Website ist diesbezüglich leider (wie bei vielen anderen Seilbahnen) nicht sehr aussagekräftig. Eine persönliche Anfrage schaffte jedoch Klarheit: Seit 2016 dürfen Räder transportiert werden.

Die Venetbahn ist nicht gerade die modernste, aber die große Gondel hat uns mit Zwischenstopp an einer abenteuerlichen Mittelstation gut auf den Gipfel des 2200 m hohen Krahberges gebracht. Ich hatte keine Ahnung, was für ein Trail uns nun erwarten würde, die Sache war also ein Experiment. Doch das Wagnis war es mir Wert, vor allem weil die Alternative gewesen wäre, weiter auf dem langweiligen Inntal-Radweg über Landeck bis nach Pfunds zu fahren. Der Traileinstieg sah jedenfalls schon mal vielversprechend aus!

Der Venet-Trail ist ein schmaler Singletrail, der sich über rund 4,5 km meist mit leichtem Gefälle bis zur Gogles-Alm am Hang entlang zieht. Landschaftlich ist der Trail perfekt, fahrtechnisch enthält er außer ein paar sanften Gegenanstiegen kaum Schwierigkeiten. Ein echtes Highlight! Die Schäden am Weg wurden übrigens kaum von Wanderern, schon gar nicht von Mountainbikern, sondern hauptsächlich von Weidevieh verursacht.

Ab der Gogles-Alm geht der Weg nach kurzer Zeit in einen leichten bis mittelschweren Waldtrail über. Man könnte hier natürlich auch einfach die Forststraße abfahren, aber das wäre eine echte Verschwendung von Höhenmetern!

Der Trail leitete uns direkt in den Naturpark Piller Hochmoor hinein. Der Weg wird dort für ein kurzes Stück sumpfig, dann kann man über den mit Holzbrettern ausgelegten Naturlehrpfad bequem radeln. Ich bin nicht sicher, ob Radfahren dort erlaubt ist. Es war jedenfalls kein Verbotsschild zu sehen und auch kaum ein Mensch unterwegs. Also kein Problem. Wer sicher gehen möchte, kann auch direkt auf die Piller Straße abfahren und das Hochmoor umgehen.

Nach kurzer Zeit landeten wir sowieso auf der Piller Straße, der wir noch 800 Meter bergauf folgen mussten bis wir die Pillerhöhe erreichten. Von dem Aussichtspunkt hier oben hat man einen sehr schönen Blick ins ganze Inntal hinunter. Man sieht Landeck im Nordwesten und Prutz bzw. Pfunds im Süden. Das Kaunertal, das ich 2012 erkundet hatte, zweigt genau hier nach Osten ab.

Wir rollten auf der Pillerstraße ein kurzes Stück bergab, bevor wir auf einen Karrenweg einbogen, der uns steil abfallend hinunter ins Tal brachte. Bei der Abfahrt bemerkten wir die Gewitterwolken, die von Westen her heranzogen. Es war bereits 17:20 Uhr, ein Nachmittagsgewitter wäre also keine große Überraschung. Ein paar einzelne Tropfen klatschten herunter, doch wir schafften es gerade noch, trocken bis nach Prutz zu kommen, bevor Blitz, Donner und starke Schauer über uns hereinbrachen. Wir stellten uns bei einem Carport unter, bis der Regen vorbei war. Dann mussten wir weiter, denn es war bereits spät.

Es lagen noch einige Kilometer Radweg vor uns und die Erschöpfung war meinem Sohn schon langsam anzumerken. Unterwegs überraschte uns noch ein starker Regenguss, den wir unter einer Brücke aussaßen, wo sich eine Gruppe Jugendlicher versammelt hatte, die laut Hiphop-Musik hörten, rauchten und Alkohol tranken. Ohne darüber urteilen zu wollen bin ich dennoch froh, dass mein Kind andere Dinge vorzieht und hoffe, dass es auch so bleibt.

Gegen 19:15 Uhr erreichten wir endlich unsere Pension in der Nähe von Pfunds. Geschafft! Die zweite Etappe hatte es wirklich in sich gehabt! Eine erfrischende Dusche und ein deftiges Abendessen füllten unsere leeren Energiespeicher und weckten die Lebensgeister.

Die zweite Etappe war noch etwas länger und schwerer als die erste gewesen, doch aufgrund der tollen Trails empfindet man das nicht so. Nun war ich mir sicher, dass mein Sohn den Alpencross problemlos schaffen würde. Die Höhepunkte des zweiten Tages waren für uns:

  • Der Blindsee-Trail (lange und technische Trailabfahrt)
  • Der Venet-Trail (flowig und landschaftlich wunderschön)
  • Noch ein Wiener Schnitzel mit Pommes (nicht ganz so groß wie das letzte, dafür etwas besser)

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