Alpencross 2013 Tag 3

Etappe 3: Bad Gastein – Böckstein – Korntauern (Hoher Tauern) – Mallnitz
Länge: 20 km
Steigung: 1650 Hm


Es hat fast die ganze Nacht geregnet, doch meine Tarp-Konstruktion hat den Härtetest sehr gut überstanden. Meine Ausrüstung und ich sind trocken geblieben und die Regenwolken am Himmel begannen langsam, sich aufzulösen. Ich befand mich nun am Fuße des Alpenhauptkammes. Während ich meine Sachen packte, bereitete ich mich mental mit einer gewissen Ehrfurcht an den bevorstehenden Aufstieg vor. Mir war klar, dass die Querung über den Korntauern (Hoher Tauern) kein Spaziergang werden würde. Ich nahm mir vor, mir dafür einfach so viel Zeit wie nötig zu nehmen.

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Ein Radweg brachte mich von Bad Gastein nach Böckstein. Noch bevor die ersten Sonnenstrahlen über die Bergwipfel krochen, fiel ich in eine Bäckerei ein und deckte mich mit diversem Gebäck ein, das als Frühstück und Mittagessen dienen würde. Effizient wie ich bin, hatte ich eine halbe Stunde später beide Mahlzeiten auf einen Schlag erledigt und alles vertilgt.

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Die kaum befahrene Straße brachte mich schnell von Böckstein zum Verladebahnhof, von dem aus man sein Auto (oder gar Fahrrad) durch den über 8 km langen Tauerntunnel nach Mallnitz transportieren lassen kann – eine weit bequemere Möglichkeit, den Alpenhauptkamm hinter sich zu bringen. Die Straße endet hier und ich folgte dem Karrenweg in das Anlauftal hinein, der sich bei mäßiger Steigung bis zum Einstieg in den Korntauernweg (auch Mindener Weg genannt) auf 1350 m zieht. Nach Überquerung des Anlaufbaches ging es sofort steil bergauf.

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Bei dieser Route handelt es sich um eine alte Römerstraße, wobei sich mir schon die Frage aufdrängte, was die alten Römer unter einer „Straße“ verstanden. Denn es handelt sich zum heutigen Tag um einen schmalen Pfad, der im steilen Gelände über Felsstufen und enge Kehren nach oben führt. Mit einem Pferd oder gar Karren würde hier niemals jemand nach oben kommen. Ein Schieben des Rades ist selbst mit gutem Willen unmöglich. Im unteren Bereich kommt man mit dem Bike auf den Schultern kaum zwischen den eng stehenden Bäumen durch. Die Stufen sind teilweise so steil, dass man zum Hochklettern eine Hand zum Festhalten braucht. Weiter oben wird der Baumbewuchs naturgemäß dünner, der Pfad jedoch nicht weniger steil. Auf diese Weise quälte ich mich bis in die Kernzone des Nationalparkes Hohe Tauern (auf ca. 1700 m) vor. Da für den Nachmittag wieder Gewitter vorhergesagt waren, saß mir eine gewissen Angst im Nacken, die mich vorantrieb. Hier oben in ein Unwetter zu gelangen wäre nicht nur unangenehm, sondern äußerst gefährlich. Ich durfte mir nicht viel Zeit für den Aufstieg lassen. Unterwegs hielt ich immer wieder nach geeigneten Stellen für ein Notbiwak Ausschau, für den Fall, dass mich das Gewitter überraschen würde. Wichtig war: keine exponierte Stelle, nicht nahe einer Felswand mit Steinschlaggefahr, möglichst umgeben von vielen Bäumen, guter Untergrund.

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Ab und zu konnte man das Rad zwar ein Stückchen schieben, aber 95% waren immer noch harte Tragearbeit. Hier bemerkte ich bei einer kurzen Pause einen fatalen Schaden an meinem Ortlieb-Rucksack. Der Rucksack war mir nun schon am zweiten Alpencross ein zuverlässiger und wasserdichter Begleiter, doch er hatte in dieser ersten Ausführung offensichtlich eine Schwachstelle. Direkt an der Naht war die Befestigung des Trägers gerissen! Der linke Träger war fast komplett durchgerissen, der rechte war eingerissen. VERDAMMT! Wie soll man mit abgerissenen Rucksackträgern und einem Fahrrad überhaupt wieder hinunter ins Tal kommen? Dies hätte ein tragisches Ende meiner Alpencross-Tour sein können. War es aber nicht! Jetzt wird der Leser verstehen, warum man immer ein paar stabile Kabelbinder dabei haben sollte. Mit meinem Messer stach ich vorsichtig zwei kleine Löcher durch den Rucksackgurt und fixierte ihn mit Kabelbindern. Den anderen Gurt reparierte ich ähnlich. Würde das halten?

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Es hielt. Und zwar sehr gut. Selbst am Ende meiner Alpenüberquerung konnte ich keine weiteren Risse feststellen. Es hielt besser als zuvor.

Ein ganzes Stück weiter oben auf ca. 2050 m gelangt man auf eine Hochebene, durch die sich ein klarer Gebirgsbach zieht. Die Natur hier ist so traumhaft schön, dass ich am liebsten 2 Stunden Pause gemacht und die Eindrücke genossen hätte. Doch das aufziehende Gewitter ließ mir keine Wahl. Ich musste weiter über ein großes Schneefeld, dessen Besteigung zwar nicht gefährlich, aber anstrengend war. Ich gelangte langsam an die Grenze meiner Kräfte. Man kann auf dem Fahrrad viel trainieren; wenn man das Bike tragen muss, ist das eine ganz andere Art der Belastung.

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Es folgten weitere Schneefelder, dann Fels, wieder Schnee und schließlich riesiges verblocktes Geröll, dessen Anordnung die Ahnung eines Weges gerade noch zuließ. Insbesondere auf den Schneefeldern war ich froh, mich anhand meines GPS-Gerätes orientieren zu können, denn oft waren die Markierungen auf dem Fels nicht mehr sichtbar. Die Aussicht war dafür fantastisch und die Gewitterwolken noch nicht direkt sichtbar. Doch sowas geht in den Bergen bekanntlich schnell, wenn sich die Wolken hinter einem Bergrücken versteckt haben.

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Als ich schließlich den Pass erreichte, war ich mit den Kräften am Ende, aber durch den Erfolg sehr euphorisch. Gerne hätte ich mir noch mehr Zeit zum Genießen und Fotografieren genommen, aber die dunklen Wolken hatten sich inzwischen vor die Sonne geschoben und das Wetter sah immer bedrohlicher aus.

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Die innere Freude über die gemeisterte Herausforderung gab mir die Energie, die ich für den Abstieg brauchte. Bis zur Mittelstation der Ankogel-Seilbahn musste ich das Fahrrad bis auf wenige Ausnahmen schieben. Teils ging es über schräg abfallende Schneefelder oder über schmale felsige Pfade, die nicht gefahren werden konnten. Zwischenzeitlich hatte es zu regnen begonnen und die rutschigen Felsen erschwerten die Sache zusätzlich. Ab der Mittelstation konnte ich endlich wieder in den Sattel steigen, doch ich fuhr nicht über die Forststraße ab, sondern über die Skipiste. Dabei handelt es sich um eine steil abfallende Wiese, auf der hin und wieder so etwas wie ein Pfad zu sehen ist. Ohne GPS-Gerät wäre es schwierig gewesen, diesen Weg zu finden. Die Skipiste endet unten in der Talstation. Die Abfahrt war unspektakulär, hat aber trotzdem Spaß gemacht.

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Der Regen hing oben in den Bergen fest und hier unten war es trocken. Ich konnte eine Pause einlegen, in der ich noch einmal auf den Pass zurückblickte, der inzwischen wieder 1200 m über mir lag. Dann packte ich meine Sachen und fuhr nach Mallnitz, wo ich mir in einer Pension ein Zimmer nahm. Denn auch in dieser Nacht würde es regnen und ich musste mich dringend von den Strapazen erholen. Im Restaurant nebenan nahm ich eine Kärntner Nudelspeise zu mir, die vorzüglich schmeckte. Das erste richtige Essen am heutigen Tag!

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Beim Abendessen habe ich erfahren, dass heute in Saalbach fünf Mountainbiker vom Blitz getroffen worden sind und von der Bergrettung abtransportiert werden mussten. Das passierte, obwohl sie sich richtig verhalten haben, alle Metallgegenstände abgelegt hatten und in einer offenen Unterstandshütte auf 1900 m Unterschlupf gesucht hatten. Daran sieht man, dass mein Respekt vor einem Gewitter im Gebirge durchaus gerechtfertigt ist. Ich hoffe, den Jungs geht es bald wieder besser und sie tragen keine bleibenden Schäden davon!

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